31.Sonntag B 31.10.2021

Das schoenste und schwerste  Gebot

1.Lesung (Dtn6,26)

Wenn du den Herrn, deinen Gott, fürchtest,indem du auf alle seine Gesetze und Gebote,auf die ich dich verpflichte,dein ganzes Leben lang achtest,du, dein Sohn und dein Enkel,wirst du lange leben.3Deshalb sollst du hören, Israel,und sollst darauf achten, sie zu halten,damit es dir gut geht und ihr so unermesslich zahlreich werdet,wie es der Herr, der Gott deiner Väte,dir zugesagt hat: ein Land, wo Milch und Honig fließen! 4Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig.5Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzer Seele,und mit ganzer Kraft.6Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte,sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.    

AntwortpsalmPs 18 (17), 2-3.4 u. 47.51 u. 50 (Kv: 2)

Kv Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke. - KvGL 649, 5

2Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, *
3Herr, du mein Fels und meine Burg und mein Retter;
mein Gott, mein Fels, bei dem ich mich berge, *
mein Schild und Horn meines Heils, meine Zuflucht. - (Kv)
4Ich rufe: Der Herr sei hoch gelobt! *
und ich werde vor meinen Feinden gerettet.
47Es lebt der Herr, gepriesen sei mein Fels. *
Der Gott meiner Rettung sei hoch erhoben. - (Kv)
51Seinem König verleiht er große Hilfe, /
Huld erweist er seinem Gesalbten, *
David und seinem Stamm auf ewig.
50Darum will ich dir danken, Herr, inmitten der Nationen, *
ich will deinem Namen singen und spielen. - Kv

 

Zweite LesungHebr 7, 23-28

23Im Ersten Bund folgten viele Priester aufeinander,weil der Tod sie hinderte zu bleiben;24Jesus aber hat, weil er in Ewigkeit bleibt,ein unvergängliches Priestertum.25Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten,für immer retten;denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten.26Ein solcher Hohepriester ziemte sich in der Tat für uns:einer, der heilig ist,frei vom Bösen, makellos,abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel;27einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat,wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes;denn das hat er ein für alle Mal getan,als er sich selbst dargebracht hat.28Das Gesetz nämlich macht Menschen zu Hohepriestern,die der Schwachheit unterworfen sind;das Wort des Eides aber, der später als das Gesetz kam,setzt den Sohn ein, der auf ewig vollendet ist.

Ruf vor dem EvangeliumVers: vgl. Joh 14, 23

Halleluja. Halleluja.
(So spricht der Herr:)
Wer mich liebt, hält mein Wort.
Mein Vater wird ihn lieben und wir werden bei ihm Wohnung nehmen.
Halleluja.

Evangelium   (Mk 12, 28b-34)

In jener Zeit 28bging ein Schriftgelehrter zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen?29Jesus antwortete:Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.30Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, liebenmit ganzem Herzen und ganzer Seele,mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.31Als zweites kommt hinzu:Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.32Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister!Ganz richtig hast du gesagt:                                                    Er allein ist der Herr und es gibt keinen anderen außer ihm 33und ihn mit ganzem Herzen,ganzem Verstand und ganzer Kraft zu liebenund den Nächsten zu lieben wie sich selbst,ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.34Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte,und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes.Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.

Das schoenste und  schwerste Gebot


Das Gebot, das uns heute  aufgetragen wird, ist schon alt und längst bekannt. Wenn wir es hören, kann es sein, dass da etwas in uns einrastet, so ein Gefühl: Ja, ich möchte das ja gern, aber die großen Schwierigkeiten, die ich damit habe. Es  klingt zunächst sehr einfach, einleuchtend; aber jeder weiß, wie schwer das ist; denn es heißt l i e b e n und nicht nur Pflicht erfüllen. Lieben heißt, mit Zuneigung und  mit Freude dabei sein.
Von Martin Buber stammt die Umschreibung von Liebe: „Ich freue mich, dass es dich gibt". Im Lieben ist die Freude entscheidend, dann ist es echte und wahre Liebe. Die Pflicht ist der äußere Rahmen oder das äußere Haus. Ein solches  muss erst mit Leben gefüllt werden, in dem  darin Familien wohnen, Kinder spielen, Menschen zu Hause sind, sich freuen und geborgen sind.
Ein Haus, das nur aus Mauern besteht, wäre kalt und unwohnlich. Erst wenn Menschen eingezogen sind und ihr Leben , ihr Schicksal, ihr Hab und Gut miteinander teilen und sich freuen, dann ist es erst ein richtiges Wohnhaus, dann erst ist es wohnlich.                                                                                                                                                                                                                                       So ist es auch mit den Beziehungen zu Menschen und zu Gott. Die Pflicht ist der äußere Rahmen, der notwendig ist, das Gesetz, das vorgeschrieben ist. Doch wenn das nicht mit Leben erfüllt wird, dann bleibt es kalt. Aber Gefühle, die Freude am anderen und die Freude an Gott kann man nicht einfach aus sich herausholen. Sympathie und Antipathie sind nicht unserem Willen unterworfen.Es gibt manche Durststrecken, in denen es uns schwerfällt, zu Gott ja zu sagen. Es gibt Schicksale, die wirklich erschütternd sind, wenn Menschen geprüft werden durch jahrelanges Leid, durch Krankheit, durch Verlust von Angehörigen. Es gibt ein Leid, vor dem man nur verstummen kann. Da Gott auch mit dem Herzen zu lieben, ist nicht leicht. Wir können ein Gefühl nicht absichtlich hervorbringen. Das muss noch lange nicht heißen, dass wir  deshalb Gott nicht lieben. Von uns wird nur verlangt, dass wir aushalten, bis  die Freude wieder einzeiht. Wie unser Leben in Gott verborgen  ist , so ist es auch  manchmal lange mit der  Freude. 

Es ist ähnlich wie mit dem Zusammenleben. Die Gefühle reagieren oft anders als unser guter Wille. Manches Unangenehme, oft sogar Verletzende kommt hoch, ohne dass wir es wollen. Verlangt wird, dass wir  in einer Krise  nicht  schnell alles hinwerfen und   ernste Gründe und Verantwortung nicht einfach beisiete schieben. So befinden wir uns zwischen Begeisterung, wo uns alles leicht fällt, und der harten Pflicht, wo es uns nur mit großer Mühe gelingt, Gott und die Menschen zu bejahen. Es  kann hilfreich sein, in harten Zeiten an die glücklichen Momente zu denken. Eines dürfen wir uns immer vor Augen halten:
Gott wirkt in den Herzen geheimnisvoll und verborgen.
Die russische Schriftstellerin Tatjana Goritschewa spricht in ihrem Buch „Von Gott zu reden ist gefährlich" davon, dass sie in ihrer Jugend- und Studentenzeit mit dem Leben experimentierte. Es war in den achtundsechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als auch bei uns die Studentenunruhen die Straßen überschwemmten. Sie hat nach Weltanschauungen und Philosophien gesucht. Schließlich entdeckte sie Yoga. Bei einer bestimmten Übung  war  immer wieder ein Wort, das sogenannte Mantra zu wiederholen. In dem Yogabüchlein war auch das Vaterunser vorgeschlagen. Man sollte es immer wieder aufsagen und die Worte in sich aufnehmen. Sie übte dies wie vorgeschrieben. Da spürte sie plötzlich:
 Da ist tatsächlich ein liebender Vater im Himmel:! In diesem Moment wurde alles anders. Es war ihr, als ob jeder Grashalm jubelte. Eine solche Freude zog ein. Von da an wußte sie: jetzt bin ich gläubig, jetzt glaube ich an Gott. Sie hat sich mit ihren Kommilitonen/innen zusammengetan und mit ihnen weiter über Weltanschauung diskutiert, aber jetzt über den  christlichen Glauben.Sie, die in ihrer Kindheit nie etwas von Gott gehörte hatte, machte einen Arbeitskreis für christliche Weltanschauung auf.
Es entstand eine christliche Gemeinde völlig aus dem Nichts. Es kamen immer mehr dazu, vor allem Intellektuelle, die gewöhnlich  dem Glauben distanziert gegenüber stehen. Sie hatten gesucht, um gläubig zu werden. Sie suchten Klöster auf und empfingen dort die Sakramente mit großer Ergriffenheit.                                                                                                                                                   Die Geschichte dieser Frau ist das Schicksal  eines Menschen, welcher entdeckt hat, dass Gott die Freude und  die Liebe selbst ist.  Man spürt die Ergriffenheit, die Ehrfurcht und Innigkeit, mit der sie über ihren Glauben  schreibt und  in vielen Veranstaltungen davon berichtet. Darin liegt ein ganz entscheidender  Hinweis, wie man das größte Gebot erfülllen kann.  Es beginnt nicht mit der größtmöglichen Anstrengung, sondern mit der Suche nach dem, was einen froh macht und ausfüllt, nach der Quelle der LIebe, welche in der Tiefe des Herzens  verborgen ist. Sie öffnet sich dann, wenn wir uns der Sehnsucht nach Echtheit und nach einem erfüllten Leben aussetzen  und auch die Mühen und das Leid nicht scheuen, die damit verbunden sind.   Die Liebe zu Gott ist ein Geschenk. Es ist wie ein Baum der wachsen will und wächst, wenn wir darauf achten und die Prioritäten setzen..Wir dürfen  menschliche und spirituelle Reife, Güte und Menschlichkeit als Früchte ernten.