Meine Traeume - mein Schicksal

 „Darüber muss ich erst einmal schlafen" sagen wir, wenn wir ein Problem haben. Denn in der Nacht arbeitet die Seele wie der Körper bei Verdauung und Wachstum.. Manches, was am Tage vorher noch unlösbar erscheint, sieht am nächsten Morgen anders aus. Mancher Ärger, manche Angst ist geschwunden. Wir können die Dinge gelassener betrachten.

Träume sind gewissermaßen ein Blick in die Werkstatt, wo unsere Zukunft bestimmt wird.  Dort ist der Sitz der Emotionen, welche Krisen verursachen und unlösbar erscheinen lassen. Denn sie folgen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten wie das Wasser einem Flussbett. Die willentliche Anstrengung, die »Selbstbeherrschung«, kann im besten Fall Emotionen zurückhalten oder - im Bild des Flusses - absperren. Aber dann stauen sie sich. Wenn die Kontrolle nachlässt, brechen sie durch.

Unter den Methoden der Krisenbewältigung hat sich die Arbeit mit Träumen als äußerst wirksam erwiesen. Sie wird gewöhnlich »Psychoanalyse« genannt, die auf Sigmund Freud und C. G. Jung zurückgeht.  

Die Kunst der Psychotherapie besteht darin, mit Hilfe von Träumen Einfluss auf die Emotionen, auf Denkweisen und Einstellungen auszuüben und damit wirksame Veränderung herbeizuführen. Im Bild gesprochen: Das Flussbett der Emotionen bekommt eine andere Richtung. Es wird möglich, an den Sitz der uns beherrschenden Kräfte heranzukommen, die Angst zu mindern und Konflikte zu bewältigen.

 Träume sind zunächst die Bestandsaufnahme der unbewussten Seele, eine in Bildern dargestellte Spiegelung der inneren Vorgänge, welche das Erlebte verarbeiten und die Zukunft gestalten. Eine innere Instanz will sich wie das Samenkorn zum größeren Umfang der Persönlichkeit. entfalten. Ob Träume für uns zum Guten werden, hängt wesentlich davon ab, wie wir uns zu ihnen verhalten, ob wir sie vernachlässigen und verdrängen oder ob wir sie ernst nehmen und sie auf uns wirken lassen.                                                                                                                         

Unverständlich und erschreckend        

. Wenn wir unsere Träume beobachten, stoßen wir als allererstes auf Unverständliches, sehr häufig auch auf Banalitäten, denen wir keine Beachtung zu schenken brauchen. Manches dürfen wir als Nachwirkung der Tagesereignisse oder einer Fernsehsendung sehen. Die Seele befasst sich noch damit und muss mit den Aufregungen erst fertig werden.  Anders ist es, wenn Szenen im Traum uns so erschrecken, dass wir sogar davon aufwachen und Angst oder Trauer zurückbleiben. Wir nennen sie gewöhnlich Alpträume.  Einige Beispiele: Wir stehen auf einem hohen Gebäude oder auf einer  Brücke ohne Geländer oder stürzen sogar hinab. Wir werden von jemand verfolgt oder bedroht. Wir werden zur Hinrichtung geführt. Wir selbst sind gestorben oder jemand aus der Familie oder sonst ein für uns wichtiger Mensch. Wir sind in einen Mord verwickelt, entweder dass wir darum wissen und damit in Gefahr sind, oder dass wir selbst ihn ausführen sollen oder schon begangen haben.

Solche Träume können wir nicht so leicht vergessen; sie belasten uns.

Alpträume sind keine äußere Wirklichkeit.  Aber die Angst, die sich zeigt, ist Realität. Und die ist nicht zu unterschätzen. Man könnte fast sagen: Sie ist die Ursache so ziemlich allen Übels. Als erstes bei sich selbst. Die Angst verhindert, dass man die Wahrheit sieht und sagt. Wichtige Aspekte und Aussagen werden gar nicht gehört oder gelesen oder einfach nicht ernst genommen. Wenn daraufhin Entscheidungen getroffen werden, wird sich das bald oder in einigen Jahren als verhängnisvoll herausstellen. Man denke an die misslungenen ehelichen oder nichtehelichen Partnerschaften. Wer aufmerksam auf Träume und Gefühle achtet, wird sich vor falschen Schritten eher bewahren. Ganz aktuell sind die Ängste heute in der öffentlichen Auseinandersetzung:  Angst vor Überfremdung, Angst um die Zukunft der Kinder und Enkel. Das Angstpotential in der Kirche verhindert authentische Kommunikation, gegenseitige Achtung und Glaubwürdigkeit der Verkündigung, den Auftrag des Evangeliums.

 

Stehen bleiben und Überlegen!

Betrachten wir dazu folgenden Traum: „Ich stehe vor einem schmalen ungesicherten Übergang über einen Fluss oder Abgrund".  Er will offensichtlich vor übereilten Entschlüssen warnen und fordern zunächst zum Stehenbleiben und Überlegen auf. Die Szene will dem Träumer sagen, dass er noch nicht so weit ist, eine endgültige Entscheidung zu treffen z.B. eine Heirat einzugehen; dass er noch Zeit braucht für eine innere Entwicklung. Der Traum will vor gefährlichen und schädlichen Schritten warnen. Angstträume sagen uns noch mehr, vor allem, wie fadenscheinig und hohl das Getue um noch mehr Erfolg, Aufstieg, Abwechslung, Sensation, Vergnügen und Genuss ist, aber ebenso wie brüchig eine scheinbar sichere Position sein kann, und vor allem auch, was hinter den Fassaden einer scheinbar gesitteten und christlichen Gesellschaft vor sich geht.

Erwachen aus dem Wesensschlaf

Auf einer tieferen, existentiellen Ebene dürfen wir das Aufwachen durch einen Angsttraum als ein Erwachen aus dem Wesensschlaf betrachten, d.h. dass wir hellhörig werden dafür, wie es um uns im Innersten steht, für das, was uns bisher nicht interessiert hat.  Mit Wesensschlaf ist eine Einstellung gemeint, in der man tieferen Lebensfragen ausweicht, sei es durch eine ungezügelte Arbeitswut, wo man am Schluss nicht mehr weiß, wofür man arbeitet, oder durch ständige Ablenkungen in der Freizeit. Man will nicht wahrhaben, dass Krankheit, Alter, Abschied und Tod genauso zum Leben gehören und dass sie nicht Misslingen des Lebens bedeuten; dass deren Bewältigung von Faktoren abhängt, die in der Mitte unseres Wesens ihren Sitz haben. Es geht um die schon erwähnte Instanz, die von Jung das Selbst genannt wird. Es ist der Archetyp des Gottesbildes, das in uns eigentätig wirkt. Dass dieses erwacht, merken wir an neuen beglückenden Erfahrungen:  die Angst schwindet; wir werden lebendiger und haben mehr Freude am Leben. Unsere Wünsche und Bedürfnisse ändern sich. Wir werden ausgeglichener, echter, persönlicher und weniger schablonenhaft, vor allem aber gütiger und verständnisvoller gegenüber den Menschen, mit denen wir es zu tun haben. Es werden Kräfte frei, die unserem Leben eine erlösende Wende geben gerade im Hinblick auf dessen dunkle Seiten.

Ganz allgemein lässt sich sagen: Unser Wesen ist dann erwacht, wenn unsere Seele,

die Werkstatt unseres Glücks anfängt  uns zu interessieren; wenn wir unsere Träume aufschreiben eventuell sogar malen, wenn wir uns eine(n) kompetente(n) Traumbegleiter(in) suchen und dafür Zeit und Geld aufwenden; wenn uns der Fortschritt unserer Seele, eine authentische  Persönlichkeit, die mit den persönlichen Problemen fertig wird, mehr wert ist als äußerer Erfolg oder die Anschaffung von mehr Komfort oder eine teure Urlaubsreise.

Unter diesem Aspekt machen Träume noch keine Weltgeschichte, aber sehr viel mit der Geschichte unseres Lebens. Wir können Einfluss nehmen auf unser Schicksal.

 

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