29. Sonntag im J.B 

Recht haben oder recht sein

Tagesgebet     Allmächtiger Gott, du bist unser Herr und Gebieter. Mach unseren Willen bereit, deinen Weisungen zu folgen, und gib uns ein Herz, das dir aufrichtig dient.                      Darum bitten wir durch Jesus Christus.

ERSTE Lesung aus dem Buch Jesaja

   


10Der Herr fand Gefallen an seinem zerschlagenen Knecht, er rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben. Der Plan des Herrn wird durch ihn gelingen.11Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich.

ZWEITE Lesung

Hebr 4, 14-16

4Da wir nun einen erhabenen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten.15Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat.16Lasst uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit.

 

Evangelium                 Mk 10, 35-45                                                                

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

In jener Zeit 35traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.36Er antwortete: Was soll ich für euch tun?37Sie sagten zu ihm: Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen.38Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde? 39Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.40Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind.41Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes.42Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen.43Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein,44und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.45Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

Recht haben oder recht sein

Der Streit der Jünger,  zur Rechten und zur Linken Jesu  zu sitzen, scheint uns heute wenig zu berühren. Schauen wir aber genauer hin, dann wird ein Problem offenbar, das die Leidenschaften zu allen Zeiten aufgewühlt und  bis heute ungelöst ist. Die Spaltungen, Zerwürfnisse, Streitigkeiten unter den Jüngern Jesu lassen sich fast immer auf die Frage zurückführen: Wer ist der erste?  Dabei  gilt meist eines: Der erste ist der, welcher Recht hat.                                                           Dieses Recht haben ist deshalb so wichtig, weil dadurch die Höhe der  Intelligenz zum Ausdruck zu kommen  scheint. Man glaubt, damit die erste Position in der   Achtung aller zu bekommen.                                                                                         So versucht man, den  andern mit Argumenten nieder zu ringen und  als Sieger das Feld zu behaupten. So duldet man  keine andere Überzeugung neben sich und man schließt  die Denkweise, die Gefühle und die berechtigten Anliegen anderer aus und damit alle, die sie vertreten.    Die Spaltungen im Raum des Christentums sind zum größten Teil Ergebnisse von Streitereien, die sich  im Nachhinein  als   Missverständnisse und damit als Kampf um den ersten Platz erwiesen haben.  Der  verlorenen  Einheit  tut man einen besseren Dienst, wenn man  versucht, einander zu verstehen. Wir müssen zunächst zugeben,  dass nichts berechtigter ist,  als zu seiner   Überzeugung zu stehen. Die eigene  Sicht der Wirklichkeit ist aber  begrenzt durch unsere persönliche Geschichte, durch die erhaltenen Informationen, durch unsere Sympathien und Antipathien und durch unsere Ängste. Deshalb ist unsere  Meinung nur ein  Ausschnitt aus der Wirklichkeit.  Um die ganze Wahrheit zu erfassen, braucht man  auch die Sicht anderer. Sie kann die eigene  Anschauung ergänzen das heißt ganz werden lassen. Dies geht aber nur in einem Klima, das von der Suche nach der Wahrheit und nicht vom verkrampften Recht haben bestimmt ist. Wer  jedoch glaubt, allein die Wahrheit zu besitzen, wird  Opfer der eigenen Emotionen und Ängste, die den Blick für die Wahrheit verstellen.                                           Hier findet  die Mahnung Jesu: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein"(Mk10,43) ihren Ort. Es  geht  nicht darum, wer bei Tisch aufträgt und dann das Geschirr wäscht, sondern darum,  sich selbst ein Stück zurückzunehmen,  auf die Alleinherrschaft der eigenen  Meinung und Stimmung zu verzichten und  die Überzeugung der andern zu respektieren.  Entscheidend ist, dass man einander die Freiheit der eigenen Lebensgeschichte und Entscheidungen  lässt und  aufhört,  Druck auszuüben.  Wenn man  beginnt,  einander ernst zu nehmen, ist das für jede Seite ein Gewinn.  Denn  die Reibungspunkte mit weltanschaulichen oder  kirchenpolitischen  Gegnern zeigen uns die Anteile  von uns selbst auf, die uns zur vollen Wahrheit unserer Persönlichkeit , zum Recht- sein  noch fehlen und sei  es „nur"  der Mangel an Toleranz, an geistiger und emotionaler Eigenständigkeit. Wenn die  Wahrheit  das Ziel allen Bemühens wird und nicht die eigene Position, dann tritt eine durchgreifende Wende im eigenen Leben  und in dem vieler anderer ein.                               Wer so denkt, wird sich  von einer anderen Weltanschauung und von einer anderen Religion oder  theologischen Richtung anregen und bereichern lassen, anstatt verbissen die Gegenseite widerlegen zu wollen.Denn es führt uns zum Recht sein, zu der   Einstellung, die  Jesus selbst gelebt hat und die er als „dienen" bezeichnet. „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele"(MK10,43).                                                                                                    Lieber recht sein  als Recht haben   ist die Lösung auf die immer neu auftauchende Frage: „Wer bin ich?"  Wer alles Streben auf Recht haben,  auf Titel und Position in der Öffentlichkeit sprich Karriere setzt, merkt nicht, wie sehr er sich von der Einschätzung anderer abhängig macht und sein Eigenstes übergeht. Wer hingegen recht - sein will, bezieht sein Selbstwertgefühl aus dem tiefsten Grund seines Herzen, in dem er Gott begegnet. Er macht sich unabhängig von dem, was die Leute sagen. Es ist die Einstellung, an der die Echtheit der Nachfolge Christi gemessen werden kann.                                                  Hier dürfen wir uns wieder das große Vorbild des heiligen Franziskus vor Augen halten. Als er seinem Vater  Geld und Kleider vor die Füße wirft  und seine Sohnschaft aufkündigt, ist  er in den Augen der Leute ein Niemand. Er ist nicht mehr  der Kaufmannsohn, vor dem man wegen des Vaters   Respekt hat. Er ist kein Handwerker, kein Kleriker, kein Mönch, er ist der Letzte in der Stadt, über den man sich lustig macht.  Aber er ist ganz er selbst, Franziskus,  völlig unabhängig von dem, was die Leute denken und reden. Ihn kann  nichts mehr anhaben, weil er von einer unsagbaren,  inneren Stärke, von Dankbarkeit und Freude erfüllt ist. Aus der Begegnung mit Christus hat er die Kraft, über den  alltäglichen Emotionen zu stehen, sogar über Leid und Tod.  Er ist beständig  zum spontanen Lob gestimmt und kann  in seinen Schmerzen jubeln. Sein Leben drückt das aus, was mit recht-sein gemeint ist.                                             Völlig fremde Personen sammeln sich um ihn, weil sie von dem demselben Geist ergriffen werden. Es bildet sich eine Gemeinschaft, in welcher eine Stimmung der  Achtsamkeit, der  Rücksichtnahme, der Danksagung und des Lobgesangs herrscht. Es ist  die Gleichheit aller Wirklichkeit geworden, hervorgerufen durch die gemeinsame Erfahrung der Kraft Christi.            Der Rangstreit der Jünger, der sich heute in den gegensätzlichen kirchenpolitischen Richtungen  darstellt, wird nicht durch gestochene Argumente, nicht durch  bittere Anklagen und  krampfhafte Verteidigung, nicht über Autoritäten gelöst, sondern ob wir  den Schwerpunkt auf  recht-sein legen und uns vom Geist Jesu ergreifen lassen.

 

 

           

 

 

 

 

 

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