2.Februar Darstellung des Herrn
Fest


Lesung Mal 3, 1 - 4

Dann kommt zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht

Lesung aus dem Buch Maleachi
So spricht Gott, der Herr:
1 Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!, spricht der Herr der Heere.
2 Doch wer erträgt den Tag, an dem er kommt? Wer kann bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer im Schmelzofen und wie die Lauge im Waschtrog.
3 Er setzt sich, um das Silber zu schmelzen und zu reinigen: Er reinigt die Söhne Levis, er läutert sie wie Gold und Silber. Dann werden sie dem Herrn die richtigen Opfer darbringen.
4 Und dem Herrn wird das Opfer Judas und Jerusalems angenehm sein wie in den Tagen der Vorzeit, wie in längst vergangenen Jahren.

Oder:

Lesung Hebr 2, 11 - 12.13c - 18

Er musste in allem seinen Brüdern gleich sein

Lesung aus dem Hebräerbrief
11 Er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden, stammen alle von Einem ab; darum scheut er sich nicht, sie Brüder zu nennen
12 und zu sagen: Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen;
13c und ferner: Seht, ich und die Kinder, die Gott mir geschenkt hat.
14 Da nun die Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, hat auch er in gleicher Weise Fleisch und Blut angenommen, um durch seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel,
15 und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren.
16 Denn er nimmt sich keineswegs der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an.
17 Darum musste er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen.
18 Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden.



Evangelium Lk 2, 22 - 40

Meine Augen haben das Heil gesehen

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
22 Es kam für die Eltern Jesu der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen,
23 gemäß dem Gesetz des Herrn, in dem es heißt: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein.
24 Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.
25 In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm.
26 Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe.
27 Jetzt wurde er vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war,
28 nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten:
29 Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.
30 Denn meine Augen haben das Heil gesehen,
31 das du vor allen Völkern bereitet hast,
32 ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.
33 Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden.
34 Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.
35 Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.
36 Damals lebte auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt;
37 nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.
38 In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
39 Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück.
40 Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm.


Das Opfer der Ergriffenheit

Wir gehen heute mit Maria und Joseph und mit dem erst 40 Tage alten Jesuskind in den   Tempel. Was dort geschieht, ist nicht leicht verständlich. Einmal stoßen sich manche  schon am Wort „Reinigung“, als ob eine Mutter durch die Geburt unrein würde. Dann ist da das Taubenopfer. Allein schon die Vorstellung, dass zwei junge Tauben ihr Leben lassen müssen, löst nicht geringes Befremden aus. Und schließlich das Gebot, das erstgeborene Kind dem Herrn zu weihen, stößt bei manchen auf Widerstand. Es erweckt fast den Anschein, als ob Gott einem das Glück nicht gönnen würde. Vor allem das Wort „Opfer“ ist heute sehr umstritten.

Wir sollten eines nicht übersehen: Die Geburt eines Kindes, vor allem des ersten, ist ein überwältigendes Ereignis im Leben zweier Menschen und berührt auch alle, die ihnen nahe stehen. Das Neugeborene zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Es ändert sich vieles, nicht nur der Tagesrhythmus. Es ist aufs Ganze gesehen ein neuer Lebensinhalt erwacht. Man weiß, wofür man arbeitet. Man kann sogar sagen: Wenn ein neuer Mensch ins Leben tritt, geht eine Sonne auf und mit ihr ziehen Licht und Lebensfreude ein. Wie von selbst ist auch das Bedürfnis da, ein so großes Ereignis durch einen Ritus auszudrücken. Die Seele verlangt danach. Deshalb suchen sogar nichtkirchliche Personen nach einem religiösen Ausdruck. Hinter dem jüdischen Gesetz, das Kind Gott zu weihen, steht die Vorstellung: Eigentlich gehört das Kind und alles Glück, das mit ihm verbunden ist, dem Schöpfer. Das Opfer sollte eine Gegengabe für das große Geschenk sein, mehr noch als ein bloßes Dankeschön. Aber muss man deshalb zwei Tauben töten? „Der Sinn des Ritus hängt nicht an der äußeren Gabe, sondern an der Gesinnung“, kann man in theologischen Erklärungen lesen. Es geht aber um mehr als um den guten Willen, den Fromme aufbringen. Das Töten eines Tieres und das Verbrennen der Gaben weist auf  einen letzten Ernst hin. Es will sagen: Der Opfernde will von seinem bisherigen Denken, von seinen Wünschen und Absichten, sogar von seinem bisherigen Leben frei werden, „sich reinigen“, um sich von Gott ergreifen zu lassen. Es gibt Augenblicke der Ergriffenheit, wo die Tränen fließen, wo unser denkendes Ich einfach still steht und aufhört zu erklären und zu kontrollieren. Es wird außer Gefecht gesetzt und dem großen Erleben „geopfert“. Die Tränen sind zugleich die Wasser der Reinigung.

Solche Momente können wir im heutigen Evangelium entdecken. Wir begegnen außer den Eltern Jesu noch zwei anderen Menschen, welche die Erfüllung ihrer Sehnsucht erleben dürfen. Es sind ein Mann und eine Frau, Simeon und Hanna,  welche all die Jahrzehnte ihres mühevollen Daseins eine große Hoffnung im Herzen trugen. Der Mann drückt sie mit den Worten aus: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden (Lk 2, 29).

Wir dürfen uns vorstellen, dass er seine Sätze mit Tränen in den Augen gesprochen hat. Ebenso dürfte es bei Hanna gewesen sein.

Es erinnert an eine Tauffeier, bei der die Großmutter des Täuflings weint, voll Freude darüber, dass sie ihr Enkelkind noch sehen darf. Sie sieht darin den Lohn für die Mühen und Sorgen, für Hoffen und Bangen über Jahrzehnte. Da liegt es, leibhaft vor ihren Augen. Sie kann es wie Simeon in die Arme nehmen. Es ist die Ernte ihres Lebens. Die große Hoffnung des Anfangs hat sich erfüllt, die Liebe ist angekommen.

Die Szene, die heute vor uns steht, ist aber mehr als die Vollendung einer Familiengeschichte. Simeon spürt intuitiv, dass es hier um das Schicksal des ganzen Volkes geht. Die Geschichte Israels, die mit dem Stammvater Abraham mit einer großen Verheißung beginnt, ist voller Dramatik. Unterdrückung und Befreiung, Zerstörung und Neuaufbau, Vertreibung und Heimkehr, Vernichtung, Katastrophen und Tragödien in unvorstellbarem Ausmaß bis in die jüngste Zeit sind damit verbunden. Man kann die Emotion und Bewegtheit dieses Mannes nachfühlen, als ihm bewusst wird: jetzt ist der Wendepunkt, jetzt ist der Retter da, jetzt ist die Geschichte angekommen. Etwas von dieser Bewegtheit spiegelt sich in seinen Worten, mit denen er sich vom Leben verabschiedet.
Wir dürfen auch an manche Szene aus dem Jahr 1989 denken, als die Mauer in Berlin fiel und sich die bisher unüberwindbare Grenze öffnete. Unvergesslich bleibt die Reaktion eines Mannes bei der Europahymne, die beim ersten gemeinsamen Konzert erklang.  Mitten im Gespräch verliert er die Fassung und bricht in Tränen aus. Es ist überwältigend, was in diesen Stunden geschieht. Worunter man Jahrzehnte gelitten hatte, ist  verschwunden wie ein Spuk. Was man gar nicht mehr zu erhoffen wagte, ist eingetreten. Es ist die Wende im Schicksal von 17 Millionen.

Im heutigen Text geht es um noch viel mehr. Es betrifft die Wende der Geschichte eines jeden, sogar der gesamten Menschheit. So manche(r) wäre froh um eine Wende in seinem/ ihrem Leben voller Verwirrung und Dunkelheit und ohne Aussichten auf Besserung. Ebenso bräuchte eine Kirche, die von Krisen geschüttelt ist, einen neuen Anfang.
Das "Licht, das die Völker erleuchtet“ (Lk 2,32 ), das wir heute am alten Lichtmesstag feiern, ist auch das Licht, das die Wende bringt. Wir können es im Grunde unseres Herzens finden.