9. Februar 2023

Die Bergpredigt ist möglich

Was sagen Tiefenpsychologie und östliche Weisheit?

I. Die wichtigsten Texte:

Matthäus 5,1-12.
Als er die Scharen sah, stieg er auf einen Berg, und nachdem er sich gesetzt hatte, traten seine Jünger zu ihm, und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
„Selig die Armen im Geiste,
denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen,
denn sie werden das Land besitzen.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit,
denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen,
denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die lauteren Herzens sind,
denn sie werden Gott schauen.
Selig die Friedfertigen,
denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen,
denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und lügnerisch alles böse gegen euch sagen um meinetwillen.
Freuet euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß im Himmel."

Feindschaft und Liebe
„Ihr habt gehört, dass gesagt wurde zu den Alten: "Du sollst nicht töten! Wer tötet soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder , der seinem Bruder zürnt, wird dem Gericht verfallen sein....
„ Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: „Aug um Aug, Zahn um Zahn". Ich aber sage euch: Widersteht dem Bösen nicht, sondern wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin! Und wer dich vor Gericht bringen und deinen Leibrock nehmen will, dem lasse auch noch den Mantel". Matthäus 5,38
........
„Ihr habt gehört, dass gesagt wurde:
Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und betet für sie, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte Mth.5, 43 ff.


Ehe-Sexualität
„Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: "Du sollst nicht ehebrechen!" Ich aber sage euch: Ein jeder, der eine Frau anblickt mit begehrlicher Absicht, hat schon die Ehe mit ihr gebrochen in seinem Herzen..."

Wenn dir dein rechtes Auge zum Ärgernis wird, so reiß es aus und wirf es von dir"; denn es ist besser für, dass eines deiner Glieder verloren gehe, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen werde....(Matthäus 5,27 -29)

Es wurde gesagt: „wer seine Frau entlässt, gebe ihr einen Scheidebrief. Ich aber sage: Ein jeder, der seine Frau entlässt - nicht kommt in Frage Begründung mit Unzucht- macht sie zur Ehebrecherin und wer eine Entlassene heiratet, bricht die Ehe."(Matthäus 5,31).

1.Unsere Reaktion:
Wir müssen uns eingestehen: die Forderungen Jesu machen uns ratlos. Können wir uns Gefühle einfach ausreißen? Es heißt ausdrücklich: Seinem Feind, dem Menschen, der uns höchst unsympathisch ist, der uns Unrecht getan hat und immer noch Unrecht tut, der seine Tat auch gar nicht bereut, einem von den Schreckensmännern der Nazis oder einem von den RAF -Terroristen nicht nur gerecht werden, sondern ihn zu lieben das heißt auch ein wohlwollendes Gefühl für ihn aufzubringen, ihn noch bedingungslos wert zu schätzen und ihm sonst noch Gutes tun:
Da sind wir einfach überfordert.
Das andere Thema, das der Sexualität und Ehe, greift noch tiefer in das Gefühlsleben ein und scheint für viele unlösbar.
Die Kommentare zu diesen Stellen reden von Idealen, die erst im Himmelreich verwirklicht werden, von der edlen Gesinnung, die an die Stelle einer Gesetzesmoral treten soll , aber auch von Jesus als dem noch größeren Mose, der auf dem Berg als dem neuen Sinai den Lehrstuhl für Israel und alle Menschen einnimmt. Dem Leser wird ein Jesus vorgestellt, der aus eigener Vollmacht-„ich aber sage euch.." auf Augenhöhe mit den Überlieferungen der Väter spricht, sich sogar noch höher stellt.
Das heißt also: Hier tritt uns eine Autorität gegenüber, welche die Gebote Jahwes verschärft. Aber wie kann man sie erfüllen?
Die Begriffe „Idealvorstellung, Vision des Gottesreiches, Gesinnung und radikale Tat", die man häufig in den Anmerkungen und Artikeln liest, helfen uns in diesem Fall nicht weiter.
Was bleibt ist guter Wille, meistens aber Ratlosigkeit und ein schlechtes Gewissen. Es dürfte doch auffallen, dass über die Bergpredigt wenig gepredigt wird, dass sie nicht im Zentrum der theologischen Auseinandersetzung
steht. Man gewinnt eher den Eindruck: Um die Bergpredigt macht man lieber einen Bogen.

2.Aspekte der Tiefenpsychologie: das Werden zur Ganzheit( Individuation).

Ein wichtiger Aspekt aus der Tiefenpsychologie Jungs und in seinem Gefolge der transpersonalen Psychologie kann uns weiter helfen. Er beobachtete, dass Persönlichkeitsentwicklungen nach einer Behandlung nicht aufhörten, sondern weitergingen, dass die Arbeit mit dem Therapeuten der Anstoß war zum größeren Umfang der Persönlichkeit. Damit ist gemeint: zu mehr Freiheit und Autonomie, zu mehr Nähe und emotionaler Erfüllung,, zu mehr Verfügung über sich selbst, zu mehr Mut und Klarheit bei Entscheidungen, zu mehr Lebendigkeit und Spontaneität, vor allem zur Verbindung mit dem Religiösen, mit der Transzendenz, damit auch mit neuen Werten und Zielvorstellungen. Es sind höhere Normen als früher, aber es ist zugleich auch die größere Fähigkeit, sie zu erfüllen. Zum Beispiel die bedingungslose Wertschätzung, die für einen Therapeuten verlangt wird, ist nicht mit gutem Willen allein erreichbar, sondern braucht ein inneres Wachstum, damit es auch echt ist und spontan entsteht.
Für diese Persönlichkeitsveränderung, die meist in der zweiten Lebenshälfte statt - findet, prägte Jung den Begriff Individuation.
Noch einmal: Zur Erfüllung einer höheren Norm zum Beispiel mehr Toleranz, mehr Hingabefähigkeit, mehr Ausstrahlung, braucht es ein Wachstum der Persönlichkeit. Der gute Vorsatz, sich immer neu, auch mit Rückschlägen am hohen Ziel der Nächstenliebe oder der Selbstbeherrschung auszurichten, bringt es nicht.
Übertragen wir das Gesagte auf Jesus und die Erfüllung seiner hohen ethischen Ideale. Die Vorstellung, dass Jesus als der große Gesetzgeber vor uns steht, als die Autorität, die uns klein hält und überfordert, der wir uns zu unterwerfen haben, dürfte mit dem wirklichen Jesus nicht übereinstimmen. Es würde der Aussage widersprechen, die lautet: "Kommt alle zu mir, die ihr unter Lasten stöhnt. Ich will euch aufatmen lassen....denn mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht"(Matthäus,11,28, 30).
Vielmehr war es so, dass Begegnungen mit Jesus Menschen gewandelt und sie zu den hohen Zielen befähigt haben. Jesus versprach den ersten Jüngern, sie zu Menschenfischern machen. (Markus 1,17). Menschen zu gewinnen, setzt eine höhere Überzeugungskraft und eine größere Persönlichkeit voraus. Die Jünger erwarben sie, in dem sie in die Gefolgschaft Jesu eintraten und mit ihm Tod und Auferstehung erlebten. Noch einmal: Die Nachfolge Jesu ist nicht eine Unterwerfung unter eine fremde Autorität, sondern ein Erwachen des neuen, vom spirituellen Erleben geprägten Menschen, ein Aufblühen und Wachsen zu
mehr personaler Kompetenz, zu mehr Sicherheit und Ausstrahlung.
Es geht um die Wandlung der gesamten Persönlichkeit. Das Erleben, die Gefühle und spontanen Impulse sind nicht mit dem bloßen Willen zu verändern.
Die Frage bleibt: Wie kommen wir an den Sitz der autonomen Antriebe, die wir nur indirekt beeinflussen können?
3. Östliche Weisheit: Religiöse Texte haben eine Geschichte.
Auf der Suche nach Sinn und Lebensvertiefung haben sich in den letzten Jahrzehnten neben der praktischen Psychologie die neuen spirituellen Wege aus dem Fernen Osten etabliert. Ihre Anziehung hat darin seinen Grund, dass sie auf unmittelbare Erfahrung setzen, dazu Anleitungen geben und Entwicklungen provozieren. Das bedeutet für alle, die sich um ein Verstehen der Bergpredigt bemühen: Wir kommen aus der Sackgasse nicht heraus, solange wir in ihren Aussagen nur die nie zu erreichenden Ideale und die ethischen Normen sehen, um deren Gültigkeit und Verpflichtungen man sich streitet. Es hilft uns dann weiter, wenn wir sie als das nehmen, was sie sind, nämlic h als religiöse Texte, das heißt als Niederschlag religiöser Erfahrungen.
Religiöse Texte haben eine Geschichte.
Eines sollte uns neu aufgehen: Religiöse Texte haben eine Geschichte.
Hinter ihnen stehen bedeutende, oft erschütternde und beglückende existentielle Ereignisse, Erlebnisprozesse, welche Menschen völlig in Beschlag genommen haben und welche die Betroffenen wegen ihres nicht mehr fassbaren Eindrucks sehr häufig in paradoxer Weise formulieren. Hier dürfen wir an manchen, recht paradox klingenden Satz Jesu denken: „Streitet nicht mit dem Bösen, sondern wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch noch die linke hin!"(Matthäus 5,39). Ebenso werden zur Beschreibung religiöser Erfahrung Bilder gebraucht, die auch aus Träumen und Mythen stammen könnten. Es gibt wachsende Saaten in Träumen und in den Gleichnisreden Jesu.
Im Bereich der neuen, von Ostasien kommenden Spiritualität steht dafür der Begriff: Innerer Weg und Erleuchtung.
Es geht darum, einen neuen geistigen Raum zu öffnen, in dem man nicht nur anderes wahrnimmt, denkt, fühlt , sondern einfach anders sieht, die Dinge beurteilt und einschätzt. Rahmen des Erlebens und Verhaltens verändert.
Wenden wir das Gesagte auf die Bergpredigt an, so kann das heißen: Die Bergpredigt ist spiegelt den Erlebnishorizont der frühen Christen, der ersten Jünger Jesu und Jesu selbst. Sie ist kein wörtliches Protokoll seiner Reden. Sie ist dann versteh- und erfüllbar, wenn wir wie der Verfasser und die damaligen Leser und Hörer in den Denkrahmen Jesu einsteigen.
Bei den Menschen, die Jesus begegneten, sowie bei den frühen Christen war dies ein Eintauchen in seine Atmosphäre. Äußerer Ausdruck dafür war die Taufe, die als ein Untertauchen vollzogen wurde. Damit war eine Wandlung des ganzen Menschen verbunden, seiner Gefühle und Antriebe, seiner innersten Motivationen. Der geläufigste Ausdruck dafür heißt: „ Wiedergeboren aus Wasser und Geist."
In der Tiefenpsychologie würde man sagen: die Wandlung des Unbewussten, der Anschluss an den zentralen Archetyp des Gottesbildes, dem stärksten Antrieb, dem religiösen Trieb, der von innen her einen Menschen verändert.
Im Neuen Testament finden wir den bekannten Zöllner Zachäus(Lukas 19,1-20), der durch die Begegnung mit Jesus ein völlig neuer Mensch wird. In ihm hat sich das ganze Wertesystem umgedreht.
Ähnliches kann man vom Apostel Paulus sagen, der in seinen Schriften am meisten von seinem Entwicklungs- und Wandlungsprozess verrät.
In seinem Brief an die Philipper schildert er seinen früheren Zustand als treuer Befolger des jüdischen Gesetzes, dann aber kam die große Umkehr. Wörtlich schreibt er: „Doch was mir als Vorteil galt, das habe ich um Christi willen für Unwert erachtet. Ja ich erachte auch wirklich alles für Unwert angesichts der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn; um seinetwillen gab ich alles auf und betrachte es als Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm mich zu finden...."(Philipper 3,7-8) .
Hier kann man ebenfalls eine völlige Verlagerung seines Wertesystems feststellen.
Wie kaum an einer anderen Stelle bestätigt er, dass religiöse Aussagen
eine Geschichte haben und nur im Nachvollzug einer ähnlichen Geschichte verstanden werden.
Paulus würde aus der Sicht östlicher Weisheitslehrer als ein Mensch bezeichnet werden, der die Erleuchtung hatte.
Der Begriff der Erleuchtung ist Ziel und Mittelpunkt der Zen-Praxis und kann zu einem Schlüssel zum Verständnis der Bergpredigt werden; er kann uns einen Rahmen, ein Raster liefern, in den wir religiöse Erfahrungen einordnen. Der Jesuitenpater Hugo-Enomya Lasalle, der selbst Zen-Meister war, weist auffallende Ähnlichkeiten von Erleuchtungserlebnissen im Zen mit den Aufstiegs- und Gipfelerfahrungen eines Johannes von Kreuz, der Teresa von Avila, sowie mit den Aussagen von Meister Eckhart, Johannes Tauler, Hugo und Richard von St. Viktor nach.
Vom Inhalt lässt sich die Erfahrung der Erleuchtung im Folgenden beschreiben: Eingetaucht sein in den absoluten Grund, Ende aller Entfremdung, aller Angst, Not und Zerrissenheit, aller Zweifel und Unsicherheiten. Blaise Pascal schreibt in seinem Mémorial, in dem er sein Erleuchtungserlebnis fest hält: Feuer, Gewissheit, Freude, Tränen der Freude!
Graf Dürckheim nennt die Kennzeichen eines Menschen der „durch" ist(der die Erleuchtung hat): Keine Angst mehr vor dem Tod, vor Einsamkeit und Verlassenwerden, Sinn im Unsinn und universale Liebe, das heißt spontane Wertschätzung jedes Menschen, der einem begegnet.
Dieses Gipfelerlebnis versetzt den Menschen in einen Zustand, in dem er die Gewissheit gewinnt, dass Leben und Tod gleichwertig und nur zwei Seiten der einen Sache sind; wo ein Mensch trotz aller Zusammenbrüche sich von einem unbedingten Sinngefüge gehalten weiß, wo Einsamkeit nicht mehr als Verlust erlebt wird, sondern als die Chance, gerade zu von Lebensdichte und Lebensbejahung überflutet zu werden. Im Grunde ist es die Erfahrung von Liebe, die nicht neue Abhängigkeiten schafft, sondern die aus einem Raum der Seele kommt, der jenseits der Emotionen von Sympathie und Antipathie liegt.
4. Die acht Seligkeiten: Zustandsbeschreibung statt unerfüllbare Forderungen
Folgende Überlegung kann uns weiterhelfen: Was bei den Mystikern und großen Gestalten innerhalb und außerhalb als Spitze religiöser Erfahrung anzutreffen ist, dürfen wir in den Ursprüngen des Christentums, bei Jesus selbst vermuten. Das Glück, das ein heiliger Franziskus erlebt hat, warum sollte es nicht für den Verfasser der Bergpredigt gelten?
Das heißt wir dürfen in den Acht Seligkeiten die Beschreibung eines Zustandes sehen, der in der transpersonalen Psychotherapie Gipfelerfahrung, im Bereich der neuen spirituellen Wege Erleuchtung, Satori genannt wird, dessen Inhalte schon
beschrieben wurden.
Im Vordergrund steht zunächst eine treffende Übersetzung des ursprünglichen Textes. Das Wort „selig" hat seinen anziehenden Charakter verloren. Man denkt an etwas abgehobenes Esoterisches, Spirituelles, was mit dem realen Leben nichts zu tun hat. Auch der häufig gebrauchte Begriff der „Verheißung" stößt auf Widerstand. Mit Recht wird darin eine Vertröstung auf die Zukunft wenn nicht auf das Jenseits kritisiert. Martin Buber, der die hebräische Bibel ins Deutsche übertrug, hat das hebräische Wort aschrej, das in vielen Psalmen vorkommt und das gewöhnlich mit „selig" wiedergegeben wurde, mit Oh das Glück ! übersetzt. Es würde dann lauten: „Oh das Glück eines Armen"!
Damit ist zweierlei ausgesprochen: das Glück ist schon gegenwärtig, und es ist zugleich Anruf. „Schaut hin und staunt, welche Freude möglich ist, wenn einer arm ist! Das Wort Jesu ist nicht ausschließlich auf die Zukunft bezogen, sondern schließt einen im Hier und Jetzt erfahrenen Zustand ein. Der Nachsatz: „Denn ihrer ist das Himmelreich "wird gewöhnlich als Belohnung verstanden, die einmal eintreten wird. Man kann ihn auch als Begründung als" Grund" im ganz wörtlichen Sinn sehen. Weil ein Mensch im Himmelreich ist, das heißt den inneren Anschluss an den Seelengrund, an den „Vater" wie Jesus hat, kommt ihm dieses Glück zu. Den wahren Gehalt des gepriesenen Glücks können wir am ehesten bei Jesus selbst entdecken.
Sehr häufig wird das „Vater" , zu dem Jesus betet, zu dem er immer wieder zurückkehrt, gebraucht. Er ist in der Sprache der Mystik und Tiefenpsychologie eins mit dem transzendenten Grund, mit dem Selbst. Dies macht seine Ganzheit, seine Größe und Kraft aus. Der Grundton seiner seelischen Verfassung ist Freude, verstanden als überquellendes Erfüllt sein, als totales Ja zum Leben, zu jedem Menschen, der ihm begegnet.. Ausdruck dieser Stimmung sind die Jubelworte: „In jener Stunde jubelte Jesus im Heiligen Geist und sprach: Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der erde(Lk, 10,21, Mt 11, 25) Jesus dankt für den innigen Austausch mit dem Vater und für das Wunder, dass den Jüngern Ähnliches geschieht. „Selig sind die, deren Augensehen, was ihr seht."Lk10,23).„Mein Gott, welch ein Glück!" könnte es auch heißen, wenn Jesus vom Zustand seiner Jünger spricht.
In Jesus muss ein andauerndes Empfinden von etwas Schönem, Kostbarem und Leuchtendem gewesen sein.
Wer das volle Glück wie Jesus in sich trägt, wird die Welt und die Menschen anders wahrnehmen, anders erleben, er wird anders denken, und handeln als jemand, der im Innersten, verletzt, unglücklich, vereinsamt und verarmt ist. Das heißt das volle Glück befähigt zum guten, sogar zum heroischen Handeln.
Auf diesem Hintergrund sind die Gesetzmäßigkeiten der Emotionen(„Aug um Aug, Zahn um Zahn"), die Bedürfnisse nach Rache und Ausgleich relativiert. Sie sind nicht mehr wichtig. Konflikte werden auf diese Weise nicht gelöst durch Analyse der Schuldfrage, sondern werden überwachsen durch neue eindrucksvollere Erlebnisfelder. Der alte Gegensatz verliert seine zerstörerische, spaltende Kraft.
Um die aussagen der acht Seligkeiten noch einmal auf den Punkt zu bringen: Indem einer arm im Geiste ist,(innerlich leer wird) erfährt er das Schöne und wunderbare der Nähe Gottes und andererseits indem einer Gott begegnet , kann er jetzt arm, sanftmütig, barmherzig und friedfertig sein, die Trauer zulassen. Die von Jesus gepriesenen Einstellungen sind einerseits Folgen dessen, dass einer von Gott berührt wurde, andererseits sind sie Tore zum Reich Gottes.

5. Womit beginnen?
Nicht die Frage: Was muss ich tun? Bringt mich weiter, sondern schauen:
Was ist? Was ist mein wirkliches Gefühl?
Das zweite ist die Betroffenheit, der Bereich, der mich angeht, mich berührt und beschäftigt. Wenn ich meine Aufmerksamkeit diesem Geschehen widme und mich immer weiter davon leiten lasse, bin ich in dem, was gewöhnlich Prozess genannt wird. Dieses Wort kommt von „procedere", was „voranschreiten" bedeutet.
Dagegen lösen Anmahnungen und moralische Appelle Druck und inneren Stillstand aus. Alle Anstrengung und Aufmerksamkeit werden auf den Willen verlagert.
Ignatius von Loyola begann seine Umkehr mit der Beobachtung seiner Gefühle. Er stellte fest, dass in ihm nach dem Lesen von Ritterromanen eine schale Stimmung
aufkam. Hingegen wenn er sich mit dem Leben Jesu und der Heiligen beschäftigte, war es ganz anders. Er war froh und innerlich erfüllt.
Er kam auf die Idee, dass er seine innere Verfasstheit durch entsprechende Vorgaben beeinflussen konnte. Er kam an sein wirkliches Gefühl.
Deshalb beginnt eine durchgreifende Wandlung dann, wenn man der Frage nachgeht: Was macht mich froh? Was bereichert mich? Was entlastet mich?
Was bringt mir eine neue Lebendigkeit, Eines sollte deutlich werden: Die Erfüllung der Bergpredigt beginnt nicht mit heroischen Anstrengungen sondern mit der Achtsamkeit für Gefühle, Atem und andere innere Vorgänge, die einen Erlebnisprozess, der nicht unmittelbar machbar ist, in Gang setzen.
Die entscheidende Frage lautet: Wie komme ich dahin, dass ich mich ähnlich freuen kann wie der heilige Franziskus, wie Jesus selbst. Dies geschieht nicht durch immer wiederholte mühsame Anstrengungen, sondern durch einen Entwicklungsweg, dem ich Raum gebe.

 

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