Welche Namen hat der Glaube?
Wir hören heute einen Text, der uns seit Kindheit vertraut ist: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" "Du bist Petrus der Fels, auf dem ich meine Kirche baue"(Mt 16,18). Seit Jahrhunderten waren diese Sätze wie ein Fels, der Sicherheit verleiht. Wer in der Kirche Halt und Sicherheit sieht, fühlt sich auch heute noch in seiner Überzeugung bestätigt. Die Stelle galt als Ausdruck eines Glaubens, der unerschütterlich ist und die Strömungen der Zeit ruhig vorbeiziehen lassen kann. Man war froh, einer Kirche anzugehören, die sich auf die Worte Jesu berufen kann und von seiner Verheißung getragen ist.
Nun aber werden es immer mehr, bei denen solche Worte nicht greifen. Für sie ist es keineswegs so, dass eine konkrete Institution wie die katholische Kirche schon die Gewissheit gibt, die für ein Leben ausreichend wäre. Im bloßen Dazugehören fühlen sie sich nicht mehr aufgehoben. Zu viele Fragen tauchen auf, zu viele Schatten, zu viele Dunkelheiten aus der Geschichte sind aufgedeckt, zu viele kritische Stimmen und zu viele Einbrüche im eigenen Leben lassen einen solchen Glauben nicht mehr zu. Was bisher als Fels galt, bröckelt arg und der Fels, der trägt und an den man sich halten kann, ist in weite Ferne gerückt. Es hilft uns weiter, wenn wir nach dem Glauben des Mannes fragen, der das Bekenntnis zu Jesus als endgültige Wahrheit zum ersten Mal ausgesprochen hat.
Hier sind zunächst einmal Unterschiede zu uns zu beachten. Auf die Frage: "Wer ist Jesus?" konnten wir schon als Kinder die richtige Antwort geben. Wir hatten es im Religionsunterricht gelernt; in der Messe wie in der Predigt war ständig davon die Rede. Weil er im Tabernakel gegenwärtig ist, musste man in der Kirche still sein und eine Kniebeuge machen. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass Jesus Sohn Gottes ist. Aber später ist der tragende Boden für viele weggebrochen.
Bei Petrus war das anders. Als er und seine Freunde Jesus am See Genesareth begegnen, ist ihnen noch nicht klar, wem sie da folgen und was er mit ihnen vorhat. Das erste große Ereignis ist, als ihm im Vertrauen auf das Wort des Meisters ein unerwarteter Fischfang gelingt. Er ist so erschüttert, dass er nur noch stammeln kann: "Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!" (Lk 5,8). Er spürt in diesem Augenblick das Überwältigende, das Große, das Heilige der Person Jesu. Hier dürfte wohl der Keim seines späteren Bekenntnisses liegen. Das ist anders, als wenn man es im Katechismus lernt. Es hat eine persönliche Geschichte, in welcher ein erwachsener Mensch mit Leib und Seele verwickelt ist, und zwar so sehr, dass er seine berufliche Existenz hingibt, später sogar das eigene Leben. So betrachtet, hat uns Petrus-wörtlich der Felsenmann - vieles voraus: Er hat Jesus selbst kennengelernt, er hat Wunderbares bei ihm erfahren, er fühlt sich hingezogen. Die Evangelien berichten allerdings, dass es da gar keine eindeutige Linie in seinem Verhältnis zu Jesus gibt, dass er nicht immer der Fels ist, an dem man sich festklammern kann: da ist ein Auf und Ab, da sind Einbrüche, die ihn von einer stilisierten Höhe buchstäblich herunterholen und ihn recht menschlich erscheinen lassen. Es wird erzählt, dass Petrus über das Wasser geht auf Jesus zu, dann aber einsinkt (Mt 14,30). Der Wind ist stärker als sein Glaube, er kann die gute Absicht, die Aufmerksamkeit auf den Meister zu richten, nicht durchhalten. An einer anderen Stelle, gerade nach dem so gerühmten Bekenntnis, ereignet sich ein offener Zusammenstoß, wobei ihn Jesus sogar „Satan" nennt. Größer könnten die Gegensätze nicht sein. Weiter könnte der Jünger nicht von seinem Meister entfernt sein. Es ging um den Weg Jesu nach Jerusalem, um den Auftrag und die Wahrheit seines Lebens. In dieser äußerst persönlichen Sache hat ihn der erste der Apostel nicht verstanden. Schließlich ist uns noch eine Szene überliefert, die als Verleugnung bekannt ist. Es klingt fast unglaublich: Er, der das große Wort führt, der seine Treue, Bereitschaft und Nähe so gerne und so oft zum Ausdruck bringt, hat im entscheidenden Moment, als es ernst wurde, versagt.
Eines sollte uns bewusst werden: Glaube ist nicht ein für alle Mal festgeschrieben. Das Bild vom Fels drückt nur eine Seite aus. Wir müssen die anderen Bilder vom Reiche Gottes hinzunehmen: die Saat, die von selbst wächst, ohne dass der Bauer sich weiter darum kümmern muss; das Senfkorn, das so unscheinbar, klein und leicht zu übersehen ist und doch eine Staude wird, die alles überragt und allen sichtbar wird;
Schließlich wird uns gesagt, dass man wie Petrus über das Wasser, über den Abgrund der Angst gehen kann, wenn man nur seine volle Aufmerksamkeit auf Jesus richtet. Er selbst wählt für sich das Symbol des Weges. Da gibt es die mühsamen Aufstiege, die Krümmungen, die Umwege und Sackgassen, die Kreuzungen und Gabelungen ohne die Wegweiser, die Unsicherheiten. Nicht immer läuft es gerade aus und nicht so, wie wir es uns gedacht hatten. So ist es in unserem Umfeld, in der Familie, in den Beziehungen zu einander und in uns selbst. Häufig kommt es ganz anders, sehr dunkel, ohne dass wir weiter sehen könnten. Hier dürfen wir darauf vertrauen, dass die entscheidenden Dinge auch ohne unser Dazutun geschehen, sogar gegen unsere Erwartung und Vorstellung, dass etwas im Stillen wächst und wir überrascht sind von einer reichen Ernte. Jesus gibt einem Mann, der eine solche Geschichte hat, einen neuen Namen. Er nennt ihn „Fels". Dasselbe sagt er einem jeden von uns.
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