Hochfest der Auferstehung 
des Herrn
Ostersonntag

ERSTE Lesung
Apg 10, 34a.37-43
ZWEITE Lesung
Kol 3, 1-4
Evangelium
Joh 20, 1-18

Die Macht der Stimme
Wie über die Osterfreude reden in diesen Tagen, wenn die Fallzahlen der Infizierten steigen, wenn von Entspannung keine Rede sein kann? Wie von Osterfreude reden, wenn jemand keine ermutigenden Gesichter, sondern nur Masken sieht, wie es in diesen Tagen in Krankenhäusern geschieht? Das einzige Medium, das den /die Kranke/n erreicht, ist die Stimme. Unter vielen verwirrenden Stimmen kann man doch die vertraute heraushören. Die Stimme allein sagt aus, wer jemand ist, wie er/sie gestimmt ist, traurig oder froh, kalt oder einfühlend; was er/sie uns sagen will.

So ähnlich dürfen wir es sehen, als Maria von Magdala am Ostermorgen dem Auferstandenen begegnet. Ihre Augen sind von den Tränen blind, ihr Inneres von Trauer verstellt, sie sieht nur fremde Gesichter, nur Masken ähnlich wie die in den Krankenbetten. Als sie ihren Namen „Maria" hört, geht für sie eine neue Welt auf. Die Stimme allein ist die Botschaft. Sie erschafft eine Atmosphäre, in der Trauer, Schrecken, Verzweiflung und Tod nicht mehr gedacht werden. In der Stimme, die sie vernimmt, klingt das ganze Wesen dessen, der ihr Schicksal, ihre Zukunft ausmacht. Sie ist im Innersten getroffen, sie spürt ein absolutes Ja, das alles verändert. Der Schriftsteller sagt nicht „sie erkannte ihn", wie es in der Erzählung der Jünger von Emmaus geschieht, er schildert nur ihre Reaktion. Es ist ein einziges Wort, das alles sagt: „Rabbuni", " mein Meister". In diesem Wort dürfen wir ihre Geschichte mit Jesus sehen. Sie war die, von der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte (Lk 8,2). Wenn jemand von sieben Teufeln gequält wird, ist das nichts anderes als die Hölle. Wir haben heute dafür das moderne Wort „Depressionen". Damit kann man diesen Zustand in ein Krankheitssystem einordnen, aber nicht das Ausmaß des Leids und der Verzweiflung erfassen. Es ist das Gefühl, als ob man niemand und nichts sei, wertlos, abgewiesen und abgelehnt, sich selbst zum Ekel geworden. So war in Maria Nacht, stockdunkle Nacht! Da begegnete sie Jesus. Es wurde in ihr Licht. Alles Dunkle fiel von ihr ab. Ihre Seele blühte auf, ihr Herz begann zu singen vor Dankbarkeit und Freude. So dunkel ihre Nacht war, so hell war der Morgen, als sie vom gütigen Blick Jesu getroffen wurde und sich ihre Angst auflöste. So tief ihre Verlorenheit war, so tief und umfassend wurde die Begegnung mit ihm. Sie wird im äußersten Grund ihrer Existenz berührt und geheilt. Es wurde eine Verbundenheit, die nie mehr von ihr wich. Es gab für sie nur eines: die Gestalt Jesu und seine Nähe. Der Evangelist Lukas erwähnt sie unter den Frauen, die Jesus auf dem Weg nach Jerusalem begleiteten (Lk8,1). Die Verbundenheit reichte soweit, dass sie die Kraft hatte, unter dem Kreuz zu stehen, die schrecklichsten Stunden, die man sich vorstellen kann. Dann wurde es wieder Nacht in ihr, aber anders, ein Schmerz, der mit Liebe gefüllt war.

An diesem Morgen ist sie die erste, welche die unerhörte Botschaft empfängt. Ihr gehört der höchste Rang noch vor den Aposteln. Sie wird sogar Apostolin der Apostel genannt, wenn es darum geht, die Stellung der Frau in der Kirche von heute zu begründen. Man sollte aber nicht vergessen, dass diese bevorzugte Stellung mit ihrem Schicksal unmittelbar zu tun hat, mit der Gewalt des auferlegten Leids, des eigenen wie des Geliebten, und mit der Erfahrung des Urgrunds, in den sie eingetaucht wurde. Erst dies macht ihre Größe und ihren Vorrang aus.
Hier kann sich ein Anschluss an die alles übertönende und überwältigende Krise der Gegenwart ergeben. Es tut sich ein nie vorhergesehener Abgrund auf. Ist es ein Abgrund des Grauens der Weltepidemie, die alles verschlingt oder steigt aus dem Abgrund „Christus als Sieger," empor, wie in der Osternacht gesungen wird? Maria von Magdala, die selbst durch den Abgrund ging, kann für alle, die vor dem Abgrund stehen oder von ihm schon angezogen werden, die zuverlässigste Zeugin sein, dass man nicht untergeht, sondern für immer bei seinem Namen gerufen wird.