26.Sonntag im Jahreskreis C

 

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

Erste Lesung: Am 6, 1a.4-7

Zweite Lesung: 1 Tim 6, 11-16

Evangelium: Lk 16, 19-31

 

Der reiche Mann, arm wie Lazarus 

Die Erzählung vom reichen Mann und armen Lazarus ist die Geschichte unserer Zeit mit dem Unterschied, dass der Arme nicht an der Tür liegen bleibt, sondern Einlass begehrt und so, wie er ist, mit seinem Schmutz und Geschwüren sich an den fein gedeckten Tisch setzen will. Die Regierenden sind ratlos, um die Flüchtlingsströme von Ost nach West, von Süden nach Norden aufzuhalten. Es scheint überflüssig, hier die christliche Gesinnung anzumahnen. Wir werden ja überschüttet mit Aufrufen zu gastfreundlicher Aufnahme der vom Krieg und Armut Geflohenen. Bei all dem ist es nicht unwahrscheinlich, dass man sich an die amtlich vorgebrachten Anmahnungen und an das Elend gewöhnt genau nach dem Muster, das in den Ländern, aus denen die Fremden kommen, üblich ist. Wichtiger ist deshalb die Frage: wie können Gleichgültigkeit, Härte und Egoismus, bei Reichen und Armen, bei Ungläubigen und Gläubigen, bei Areligiösen und Religiösen überwunden werden?

Dazu kann eine Gegengeschichte zum heutigen Evangelium Anregung geben. Es war 1981, als der Schauspieler Karl Heinz Böhm in der Sendung „Wetten dass…?“ die Wette einging, für die notleidenden Menschen in der Sahelzone würde nicht einmal jeder Dritte eine Mark spenden. Er versprach, er werde selbst nach Afrika gehen, um zu helfen, wenn er die Wette verliere. Er verlor die Wette! Es kam mehr Geld zusammen, als er befürchtet oder doch im Innersten gehofft hatte. Es war die Grundlage, um in Äthiopien ein großes Werk mit dem Titel „Menschen für Menschen“ aufzubauen. Im Bericht über seine Tätigkeit wird die Zahl der Wasserstellen, Bewässerungsanlagen, Brücken, der Straßen- und Zufahrtswege angeführt, ebenso Wiederaufforstung, Bildungsprogramme, Bau von Grund- und Hauptschulen. Er hat damit Grundlagen geschaffen, die es den Afrikanern ermöglichen, im eigenen Land menschenwürdig zu leben. Ein Heim trägt den Namen „Kinder mit Hoffnung auf morgen.“ Es dürfte interessieren, wie eine so bekannte Figur der Öffentlichkeit auf diese Spur der Barmherzigkeit kommt. Zum ersten Mal wurde Böhm 1976 mit der Armut in Afrika konfrontiert, als ihm die Ärzte einen Aufenthalt in Kenia empfahlen, um einen Bronchialkatarrh auszukurieren. Dort ließ er sich von einem einheimischen Hotelangestellten die Kehrseite der Luxusfassade zeigen. Er sah dessen Hütte, erfuhr, dass die Einheimischen sich nur den Kopf eines Fisches leisten konnten, und war erschüttert. Er konnte sich mit der Armut nicht abfinden und beschloss, in Afrika zu helfen.  

Eines dürfen wir der wahren, nicht erfundenen Geschichte entnehmen. Eine grundlegende Wandlung der Gesinnung geschieht kaum über Aufrufe von oben oder über sauber durchdachte theologische Schlussfolgerungen. Nicht einmal die Lektüre heiliger Texte und deren Auslegungen führen die entscheidende Wende herbei. Es braucht eine Erschütterung in Mark und Bein im Grunde der Existenz, um eine umfassende Neuausrichtung der Interessen und Motive zu bewirken. Es ist die Begegnung von Mensch zu Mensch. Indem sich Herr Böhm für den Bediensteten interessierte, sich ihm öffnete, ihn erzählen ließ, entstand eine Nähe, die sich auf die ganze Verfassung des Europäers auswirkte. Er konnte sich der ganz anderen Seite der Wirklichkeit, der zum Himmel schreienden Not des Angestellten und der Ungezählten in diesem Land nicht mehr entziehen. Auf diese Weise geschah Wandlung im Grunde des Herzens und es begann der große Aufbruch. Er gewann andere Wichtigkeiten und Werte, andere Ziele, die vielen ein menschenwürdiges Leben geben, die den Betrachter nur staunen lassen und froh stimmen und das Leben erfüllt machen.                                                                   

Es sollte uns aufgehen, dass ein Geschehen in diesem Sinn der innersten Absicht Jesu nahekommt, selbst wenn von ihm nicht die Rede ist. Wir dürfen hier das Wort vom „Reich Gottes, das sich genaht hat „und von der „Umkehr“ (Vgl. Mk 1,25) in Betracht ziehen. Daraus ergeben sich anregende Momente auch für die, welche nicht unmittelbar vom Grauen der Welt berührt sind. Umkehr vollzieht sich dann, wenn wir dem Lazarus in uns selbst begegnen. Es ist das Elend, das wir in uns tragen. Das bedeutet  alles einmal aufsteigen lassen, was einen  im Tiefsten bedrückt, aber durch Geschäftigkeit und  Ablenkung ständig übergangen wird. Man ist dann auf dem Weg der Versöhnung mit dem inneren Menschen, dem armen Lazarus, der sich jetzt an den Tisch setzen darf. Mit ihm sind dann auch die eingeladen, die unter den Schrecken der Zeit zugrunde zu gehen drohen.