25.Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

Erste Lesung       Am 8, 4-7
Zweite Lesung     1 Tim 2, 1-8
Evangelium          Lk 16, 1-13

 

Weiß ich, wer ich bin?

Der Mann, der uns heute vorgestellt wird, ist alles andere als nachahmenswert. Er zeigt uns, wie man einen regelrechten Betrug begeht. Am Schluss heißt es jedoch: „Der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters“ (Lk 16,8) allerdings mit der Einschränkung, es sei die Klugheit der Kinder dieser Welt. Damit wird uns empfohlen, doch etwas von dieser Klugheit zu übernehmen allerdings auf der Ebene und in dem Rahmen, in dem Jesus und die ersten Christen gedacht und empfunden haben. Wenn uns schon Jesus zu dieser Tugend aufruft, dann macht es uns neugierig, was denn daran so wertvoll sein soll.

Einmal ist es ein gutes Zeichen für den wachen Geist dieses Mannes, dass er sich der Situation stellt. Er blickt der Wahrheit ins Auge und lässt sie auf sich wirken. Wer bin ich, wenn ich meinen Posten verliere? Die Antwort heißt klar: Niemand! Die Freunde ziehen sich zurück. Er steht allein da und weiß nicht, wovon er leben soll. Dies treibt ihn zu einer Entscheidung. Wir finden dazu eine Parallele in der Erzählung vom verlorenen Sohn. Als der junge Mann bei den Schweinen sitzt, kommt er ins Nachdenken. Es ist dieselbe Frage: Wer bin ich? Wie froh wäre ich, wenn ich der letzte Knecht daheim auf dem Hof wäre!  Der sitzt am gedeckten Tisch und ich hier bei den Schweinen! Diese Überlegung trifft ihn. Er fasst den Entschluss heimzukehren, ein Gedanke, der ihm früher nie im Traum eingefallen wäre. Es ist die entscheidende Wende.

Wir dürfen deshalb die empfohlene Klugheit als die Frage verstehen: Wer bin ich? Es gibt Situationen, in denen wir damit konfrontiert sind. Ob wir sie zu unseren Gunsten zulassen, durchdenken und durchleiden, hängt von uns ab. Es liegt nahe, an die Menschen zu denken, die wie der Mann in der Geschichte ihren Arbeitsplatz verloren und schon die fünfzigste Bewerbung geschrieben haben. Was ist, wenn mich niemand mehr brauchen kann? Wer bin ich noch, wenn mein Können nicht mehr gefragt ist? Noch bitterer wird es, wenn die Liebe sich wie in Rauch auflöst und die Lebensgemeinschaft zerbricht. Wer bin ich noch, wenn ich von dem Menschen, der mir einst die Zukunft bedeutet hatte, abgelehnt werde? Jede Trennung fordert uns in unserem Wesen heraus. Die letzte und endgültige Frage nach dem, was uns ausmacht, stellt der Tod. Bei den Anzeigen heißt es gewöhnlich: Der Verstorbene hinterlässt eine Lücke. Er hatte bisher einen großen Teil des Wesens seiner Angehörigen ausgemacht. Dieses muss neu gefunden werden. Die Anfrage steigert sich zum Höchsten, wenn uns als Patienten gesagt wird, dass die Krankheit unheilbar ist, dass keine Aussicht mehr besteht. Niemand kann sich auf das Äußere, von dem er bisher gelebt hat, stützen auf das Vermögen, Position und  Ansehen. Nicht einmal die Freunde und die engsten Verwandten können das Werk der Zerstörung aufhalten. Welcher Kern bleibt noch, wenn die äußeren Schalen abfallen?

Es ist hilfreich, sich einmal umzuschauen, wie andere mit dieser Frage umgegangen sind. Deshalb erzählt uns Jesus eine Geschichte. Jesus hat den Mann deshalb gelobt, weil er weiterdenkt und auf seine Art eine Lösung findet. Er macht sich zum Freund der Schuldner seines Herrn. Da ist er wieder jemand! Nach der Denkweise und den Maßstäben der Kinder dieser Welt, ist dies durchaus richtig. Welche Antwort finden nun die Kinder des Lichts, also die, welche im Sinne Jesu handeln wollen?                                                                                                                        

Nehmen wir die bekannte Szene aus dem Leben des heiligen Franziskus, als er vor dem Bischof seinem Vater das Geld und die Kleider zurückgibt mit den Worten: „Bisher habe ich Vater Bernardone gesagt, ab jetzt sage ich Vater im Himmel“. Er steht ganz wörtlich ohne alles da. Alles Äußere ist abgefallen. Wie der Verwalter ist er völlig mittellos. Er ist kein Kaufmannssohn, kein Kleriker, kein Mönch, kein Handwerker. In den Augen der Leute  ist er niemand, nicht einmal ein Bettler, wie man sie sonst sieht. Aber er ist ein Sohn Gottes. Er hat es selbst erfahren in der letzten Tiefe seines Herzens. Er hat die Frage: Wer bin ich? zuinnerst durch gelebt. Er weiß jetzt, wer er ist und er weiß auch, was er sagt. Da ist kein leerer Spruch, den er im Religionsunterricht oder im Studium gelernt hätte. Die gewonnene Überzeugung, etwas von Gott zu sein, ein Funke, sogar ein Feuer, hat ihn von allem weggeholt, selbst von der eigenen Familie. Er ist nicht mehr auf die Meinung der Leute angewiesen. Es ist ihm gleich, wie sie ihn nennen, was sie von ihm halten, was sie über ihn reden, ob sie ihn beschimpfen, verspotten, ihn bemitleiden oder loben. Das innere Feuer verleiht eine  Eigenständigkeit, welche die Vorstellungen von Hoch und Niedrig, von Wichtig und  Unwichtig  durchbricht. Er ist stärker als seine Umgebung, weil er an die Urkraft Gottes angeschlossen ist. Nicht die Gesellschaft prägt ihn, sondern er verändert die bestehenden Verhältnisse. Wir sind Kinder, Söhne, Töchter Gottes, so wird uns seit Kindheit gesagt. Damit hätten wir eigentlich auch das Potential an Ausstrahlung, das mit dem göttlichen Feuer in uns verbunden ist. Wir hätten ungeahnte Ressourcen. Wir könnten sogar wie der heilige Franziskus eine einfallende Kirche stützen. Aber es ist ein mühsamer Weg, bis die Schätze uns offen stehen. Der erste Schritt ist, dass wir wie der kluge Verwalter der Situation nicht ausweichen und fragen: Wer bin ich?

                  

 

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