Dritter Adventssonntag B


1.Lesung Jes 61, 1 - 2a.10 - 11

Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn

Lesung aus dem Buch Jesaja
1 Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung,
2a damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
10 Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.
11 Denn wie die Erde die Saat wachsen lässt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern.


2.Lesung 1 Thess 5, 16 - 24

Der Gott des Friedens bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib, damit ihr ohne Tadel seid, wenn der Herr kommt

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher
Brüder!
16 Freut euch zu jeder Zeit!
17 Betet ohne Unterlass!
18 Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört.
19 Löscht den Geist nicht aus!
20 Verachtet prophetisches Reden nicht!
21 Prüft alles, und behaltet das Gute!
22 Meidet das Böse in jeder Gestalt!
23 Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt.
24 Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun.


Evangelium Joh 1, 6 - 8.19 - 28

Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
6 Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes.
7 Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen.
8 Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
19 Dies ist das Zeugnis des Johannes: Als die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten zu ihm sandten mit der Frage: Wer bist du?,
20 bekannte er und leugnete nicht; er bekannte: Ich bin nicht der Messias.
21 Sie fragten ihn: Was bist du dann? Bist du Elija? Und er sagte: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Er antwortete: Nein.
22 Da fragten sie ihn: Wer bist du? Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Auskunft geben. Was sagst du über dich selbst?
23 Er sagte: Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.
24 Unter den Abgesandten waren auch Pharisäer.
25 Sie fragten Johannes: Warum taufst du dann, wenn du nicht der Messias bist, nicht Elija und nicht der Prophet?
26 Er antwortete ihnen: Ich taufe mit Wasser. Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt
27 und der nach mir kommt; ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren.
28 Dies geschah in Betanien, auf der anderen Seite des Jordan, wo Johannes taufte.


Der Mann aus der Wüste

Der Text heute stellt einen Mann vor, der von Gott gesandt ist. Bei den meisten lässt hier die Aufmerksamkeit schon nach. Zu oft wurde dieses Wort gebraucht, zu einer leeren Formel geworden. Betrachten wir jedoch konkrete Menschen, die von Gott erfüllt waren, gewinnen wir ein anderes Bild.

Der heilige Franziskus war bei seinem ersten Auftreten eigentlich ein Niemand, weder Kleriker, noch Mönch, noch ein beauftragter Verkündiger. Aber die Zuhörer rissen Augen und Ohren auf, als sie ihn hörten. Seine Worte - so heißt es in der Lebensbeschreibung - waren wie brennendes Feuer, das in die Tiefe der Herzen drang und alle mit Bewunderung erfüllte. Man spürte, er war ein ganz anderer geworden. Denken wir an den verstorbenen Prior von Taizé Roger Schutz, der eine wohltuende Ausstrahlung besaß und gerade junge Leute anzog. Der Ort ist zu einem zentralen Punkt geworden, wo sich junge Menschen treffen, austauschen und den Glauben als lebendig und beglückend erleben. Wer immer ihn in seinem weißen Habit, mit seinem strahlenden Lächeln durch die Kirche schreiten sah, wird verstehen, was heute über Johannes den Täufer gesagt wird: „Er legte Zeugnis ab vom Licht“ (Joh 1, 8). Er war eine Lichtgestalt. Eine solche war auch der Jesuitenpater Hugo Enomya Lasalle, der als Zenmeister „nur" die absolute dichteste Stille anbot, wo die Nähe Gottes spürbar wurde. Der Andrang in seine Kurse konnte nicht bewältigt werden.
Eines ist wichtig: Wer von Gott gesandt ist, ist keine blutleere Figur, kein düsterer Asket, der anderen das Leben nicht gönnt, sondern er lebt aus einer Kraft, die stärker ist als der Geist und die Strömung der Zeit. Er bewegt die Herzen, stellt das wahre Leben dar und strahlt es aus; er öffnet Zukunft und auf ihn kann man Hoffnung setzen.
Von dieser Art war Johannes, der Täufer. Und doch sagt er: „Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet. Ich erfülle nicht eure Erwartungen, die ihr auf den Messias, auf Elias und auf einen kommenden Propheten setzt“.  
Eines müssen wir erst mühsam erkennen: Gott ist anders!
Wer immer in seinem Leben Gott nahe gekommen ist, redet anders, handelt anders, ist anders. Er durchbricht die Vorstellungen und Bilder, die man von Gott hat. Er passt nirgends mehr hinein.
Johannes ist ein solcher. Er gehört zu denen, die außerhalb des offiziellen Rahmens  auftreten, die keine Bevollmächtigung haben, vielmehr nur aus ihrem Innersten sprechen. Er kann für seine Sendung kein Dokument vorweisen. Er kann sich auf keinen bekannten Namen berufen. Deshalb ist sein Ort die Wüste. 
Der äußere Abstand von Jerusalem, dem Zentrum der heißen politischen und religiösen Debatten, entspricht der inneren Distanz zu der Art, wie dort über Gott gedacht und geredet wird.
Er verbreitet eine Atmosphäre des Ungewöhnlichen, wo man aufhorcht und eigentlich nicht recht weiß, warum.
Hier kann uns aufgehen, was der Täufer von sich selbst sagt. Er sei die „Stimme eines Rufers in der Wüste“. In der Wüste zu rufen, wo einen niemand hört, scheint ja nicht besonders sinnvoll zu sein. Warum geht er nicht auf den Marktplatz, in die Synagoge oder in den Tempel, müsste man meinen.
Trotzdem wird man in Jerusalem an höchster Stelle auf ihn aufmerksam. Seine Erscheinung hinterlässt einen so mächtigen Eindruck, dass es sich herumspricht, die Leute zu ihm kommen und er nicht mehr zu übersehen ist.
Er stellt eine Größe dar, die einen Wanderprediger auf dem Tempelplatz weit in den Schatten stellt.
Gerade sein Auftreten in der Wüste, weist darauf hin, dass es allein die Kraft Gottes ist, die anzieht.
Und doch trägt er in sich die Überzeugung: Es kommt etwas noch Größeres auf euch zu, im Vergleich zu dem meine Erscheinung nur eine Kleinigkeit ist.
Er sagt sogar, dass der, welcher dieses Ereignis vertritt, schon da ist, aber niemand weiß um ihn. Er ist eben anders, er schaut nicht nach einem Messias aus, schon gar nicht nach einem Sohne Gottes. Er ist der, den die Leute nicht kennen. Gerade so ist es in unserer Zeit.

Der Name für Gott scheint kraftlos geworden zu sein. Es seien zu viele Enttäuschungen in ihrem Leben passiert, als dass man noch an einen gerechten und gütigen Gott glauben könne, rechtfertigen viele ihre Einstellung. Zudem sei die Geschichte der Religion so belastet, dass sie eher die Ablehnung rechtfertige als dass sie anzieht.
Es gibt auch Personen mit schwerem Schicksal, die darüber ganz anders denken, die durch Schmerz und Trauer gegangen, zu tiefem Glauben und zu hoher menschlicher Reife gelangt sind.
Erinnert sei an die Geschichte einer jungen jüdischen Frau, - Etty Hillesum - aus Amsterdam, die 1943 im Lager kurz vor ihrer Deportation nach Auschwitz in ihr Tagebuch schreibt: das Leben ist schön, reich und voller Sinn.
Aus den Briefen Etty Hillesums kurz vor dem Abtransport sind Gebete enthalten, die eine bewegende spirituelle und menschliche Größe ausdrücken: „Du hast mich so reich gemacht, mein Gott lass mich mit vollen Händen davon austeilen. Mein Leben ist zu einem ununterbrochenen Zwiegespräch mit dir, mein Gott, geworden, zu einem einzigen großen Zwiegespräch.
Das Geheimnis dieser Persönlichkeit liegt darin, dass sie bei ihrem Therapeuten, einem deutschen Juden, lernte, in sich selbst hineinzuhorchen, die Tiefe ihrer Seele auszuloten und dabei das entdeckte, was sie wahrhaftig, echt, innerlich reich und erfüllt machte. Im Grund wurde sie von Gott in einer so tiefen und umfassenden Weise berührt, dass das Grauen des Konzentrationslagers in ihr seine Macht verlor.                                                                                  

Die Aufforderung des Johannes dürfen wir deshalb so verstehen, dass wir uns nicht mehr ständig von uns selbst ablenken lassen, ob von den Medien oder oberflächlichen Interessen, dass wir nicht mehr in den Banalitäten des Alltags ersticken, vielmehr unseren Blick nach innen wenden zu dem, was uns im tiefsten bewegt, was uns nahe geht, was uns beschwert und was uns froh macht. 
Der Weg, den Johannes meint, ist in uns selbst. Ihn gilt es zu entdecken. Seiner Führung dürfen wir uns anvertrauen, weil er uns zum wahren Kern bringt, zum Funken Gottes in uns.