32.Sonntag im Jahreskreis A


1.Lesung Weish 6, 12 - 16

Wer die Weisheit sucht, findet sie

Lesung aus dem Buch der Weisheit
12 Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit; wer sie liebt, erblickt sie schnell, und wer sie sucht, findet sie.
13 Denen, die nach ihr verlangen, gibt sie sich sogleich zu erkennen.
14 Wer sie am frühen Morgen sucht, braucht keine Mühe, er findet sie vor seiner Türe sitzen.
15 Über sie nachzusinnen ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen wacht, wird schnell von Sorge frei.
16 Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind; freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen und kommt jenen entgegen, die an sie denken.



2.Lesung 1 Thess 4, 13 - 18

Gott wird durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher
13 Brüder, wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.
14 Wenn Jesus - und das ist unser Glaube - gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen.
15 Denn dies sagen wir euch nach einem Wort des Herrn: Wir, die Lebenden, die noch übrig sind, wenn der Herr kommt, werden den Verstorbenen nichts voraushaben.
16 Denn der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen;
17 dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft entrückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein.
18 Tröstet also einander mit diesen Worten!


Evangelium Mt 25, 1 - 13

Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis:
1 Mit dem Himmelreich wird es sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen.
2 Fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug.
3 Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl,
4 die klugen aber nahmen außer den Lampen noch Öl in Krügen mit.
5 Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein.
6Mitten in der Nacht aber hörte man plötzlich laute Rufe: Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!
7 Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht.
8 Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus.
9 Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es weder für uns noch für euch; geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht.
10 Während sie noch unterwegs waren, um das Öl zu kaufen, kam der Bräutigam; die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal, und die Tür wurde zugeschlossen.
11 Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach und auf!
12 Er aber antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
13 Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.


Die große Sehnsucht

Es ist die Jahreszeit, in der uns Nebel und nasse Kälte  nach innen treiben. Wir suchen nicht nur die Wärme im Zimmer, wir gehen an die Gräber und dort begegnen wir unserem Inneren. Unser Blick wendet sich zu denen, die mit uns einmal zusammen waren und heute nicht mehr da sind. Es ist gut, wenn wir die Frage zulassen:

Was wird einmal mit uns sein? Was kommt auf uns zu? Was wird am Ende sein?

Was haben wir zu erwarten ganz zum Schluss? Wir wären froh, wenn wir etwas darüber wüssten. Aber vor jener Welt hängt ein Vorhang, den wir nicht selbst wegziehen können. Nun gibt es Menschen, die mit dieser Frage sehr überzeugend zurechtkamen und die uns ihre Erfahrungen mitteilen wollen. Es sind die, von welchen die Heilige Schrift und die Geschichten der Heiligen berichten.

Für die Christen der Frühzeit bringt die Zukunft das große Ereignis. Schon die Begegnungen mit Jesus als dem Verkünder des Reiches Gottes haben prägende Spuren hinterlassen. Dann erst die Erfahrungen mit ihm nach seinem Tod! Was als Auferstehung berichtet wird, hat alle bisherigen Vorstellungen vom Schicksal des Menschen, alle Maßstäbe von wichtig und nebensächlich umgeworfen. Als letztes und endgültiges Ereignis erwarten die frühen Christen die Wiederkunft Christi. Damit verbinden sich Sehnsucht und Hoffnung auf das Kommende, wodurch gegenwärtiges Leid relativiert, sogar außer Kraft gesetzt wird. Das ganze Denken und Tun ist nach vorne ausgerichtet. Die Gegenwart wird von der Zukunft überstrahlt.

Dieser neue Lebensinhalt ist im Grunde die konkrete Form des Reiches Gottes, von dem Jesus immer wieder spricht und es in Gleichnissen darstellt. Wir finden in den Heiligen Schriften Erzählungen, die sich für uns zunächst recht fremd anhören. Aber bei genauerem Hinschauen entdecken wir die innere Welt der ersten Christen und vieler anderer aus späteren Zeiten. Es sind Bilder, welche aus der Mitte des Lebens genommen sind und den Hörer und Leser genau dort treffen wollen. Nichts bewegt die Gefühle, die Gedanken und die Entschlüsse zweier Menschen mehr als die Liebe, die das Tor zum Glück öffnet und die sie endgültig durch ihr feierliches Versprechen  besiegeln wollen. Es tun sich Räume des Erlebens auf, die sie vorher nie kannten. Es ist, als hätte man sich und den andern neu entdeckt. Nichts greift so stark in das Leben ein, als wenn sich die Wege zweier Menschen verbinden.

Und doch bleibt es noch ein Geringes gegenüber dem, wenn ein Mensch von Gott berührt wird. Deshalb haben die ersten Christen und die Mystiker nachfolgender Generationen ihre Erfahrungen mit Gott mit den Bildern menschlicher Liebe beschrieben. Sie hatten etwas erlebt, was noch schöner und beglückender ist als die neu entdeckte Nähe zweier Menschen. Wie Verliebte waren sie getroffen in der Tiefe ihres Herzens, ergriffen von einer Macht, die größer ist als sie selbst, sie anzieht und zuinnerst verwandelt. So wurde die „Hochzeit" zum sichtbaren Ausdruck dafür, was wir von Gott erwarten dürfen und was auf uns zukommen wird.

Vor diesem Hintergrund erfindet Jesus die Geschichte von den zehn Jungfrauen, die auf eine Hochzeit geladen sind und auf den entscheidenden Augenblick warten. Ein recht ungewöhnlicher Hochzeitsbrauch, wie es scheint! Von einer Braut ist gar nicht die Rede. Dass alle zehn als Bräute in Frage kommen, dürfte selbst im Orient als unwahrscheinlich gelten. Dies spricht dafür, dass es sich hier um ein Bild handelt, das die Ebene der äußeren Realität schon verlassen hat und nur als Sinnbild im Feld des Glaubens verständlich wird.

Zunächst zum Wort „Jungfrau". Es geht  nicht um eine moralische Norm oder um eine körperliche Gegebenheit. Die Hl. Schrift meint mit „Jungfrau" den Lebensabschnitt einer jungen Frau , in dem sie zur vollen Liebesfähigkeit erwacht, wo sie vom Wunsch getragen ist, bald den Geliebten zu sehen, in die Arme zu schließen, seine Nähe zu spüren und sich hinzugeben. Ihr Blick ist nur auf den sehnlichst Erwarteten gerichtet. Es ist ein Ausgespannt-Sein dem großen Glück entgegen. Töricht wäre es, sich davon ablenken zu lassen. Wenn wir nun Berichte von menschlichen Liebesbegegnungen und spirituellen Erfahrungen zusammennehmen, dann könnten wir ahnen, was einmal auf uns zukommen wird.
Für dieses große Ereignis ist bei den frühen Christen den Ruf „Auf der Bräutigam kommt" aufgekommen. Sie waren wie selbstverständlich auf das Kommen Christi ausgerichtet. In diesem Raum des Erlebens ist das Gleichnis von den fünf klugen und fünf törichten Jungfrauen angesiedelt. Wir dürfen fragen: Was ist in einer solchen Situation der Erwartung klug, was töricht?
Klug ist nach der Erzählung die weise Vorausschau und Vorsorge für den Fall, dass der Bräutigam länger ausbleibt. Töricht ist es, nicht vorbereitet zu sein. Man kann den Ruf zum Aufstehen überhören und dann seine wirkliche Lebenschance verfehlen. In diesem Fall gibt es den Ausdruck „Wesensschlaf" ! Er ist ein verbreiteter Zustand. Man ist abgestumpft und gleichgültig gegenüber allem, was das eigene Wesen und das eigene Glück ausmachen würde.
Es ist Desinteresse an allem überraschend Lebendigen, an allem, was die Herzen bewegt. Dies kann auch unter dem Mantel von Rechtgläubigkeit und Gesetzestreue geschehen. Bei aller bürgerlichen Wohlanständigkeit kann man das eigentliche Leben verfehlen..

Andererseits gibt es eine Wachheit für existentielle Belange, dafür, was echt ist und zu einem passt, was wichtig und unwichtig ist, was zum eigenen Glück beiträgt und was es verhindert. Wer klug ist, lässt sich von allem Lebendigen beseelen, von dem, was freier und froher macht. Er verfällt nicht den tausend Ablenkungen, kann gut unterscheiden zwischen dem, was zutiefst ergreift und wertvoll ist, und dem , was an der Oberfläche liegt und bedeutungslos ist. Menschen, die von Gott berührt wurden, sagen, es fühle sich an, als ob der innere Mensch erwacht sei, als wäre man vorher wie im Schlafe gelegen. Sie haben etwas von der innersten und wichtigsten Wahrheit begriffen, von der Liebe selbst begehrt und bejaht zu sein.

Kommen wir auf die Frage zurück, die uns in diesen Wochen gestellt ist: Was wird auf uns zukommen? Die Erfahrung der frühen Christen sagt: Unsere Geschichte und die Geschichte der Menschheit endet mit einem großen Ereignis, von dem das Glück einer Hochzeit nur ein schwaches Bild abgibt.