Waldacker oder Donareiche

Kranke Bäume- heilige Bäume

Die Heilung kommt von den Wurzeln
Die dramatischen Aktionen der „letzten Generation" schockieren viele, aber sie wollen die öffentliche Meinung aufrütteln und zu der Einsicht führen, dass die Klimakatastrophe unser Dasein auf dieser Erde bedroht. Eine Folge des Klimawandels ist die Schädigung der Wälder. Gerade bei den Bäumen wird deutlich, dass menschliches Dasein und Natur enge Verbindung haben. Die Bedrohung geht nicht nur an deren Wurzeln, sondern bis in unsere Existenz. Die Völker früherer Zeiten verehrten Bäume als Sitz göttlicher Gestalten, als heilig, als unantastbar, als eigenständige Wesen, über die man nicht verfügen kann. Sie werden als Symbole des tiefsten, tragenden Grundes und als ihr Zugang verehrt. Deshalb kommt von ihnen auch die Rettung, sagen uns die Mythen der Völker. Man muss mit den Bäumen wie mit dem rettenden Grund wieder in Kontakt kommen, dessen Kraft zu spüren und sich in den Wurzeln der eigenen Existenz betreffen lassen Dies würde das allgemeine Denken verändern.

 

Kranke Bäume

Der deutsche Wald leidet stark unter den Folgen des Klimawandels. Insgesamt sind vier von fünf Bäumen erkrankt, heißt es in einem Zustandsbericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Betroffen sind Fichte, Kiefer, Buche und Eiche. Insbesondere Dürre und hohe Temperaturen haben den Wäldern im vergangenen Sommer weiter zugesetzt. Der Wald hat sich seit 2018 nicht erholen können. Die Freisetzung von Stickoxiden und Ammoniak erfolgt insbesondere aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft. Die Menge des eingetragenen Stickstoffs liegt teilweise über der Aufnahmekapazität der Waldökosysteme. Nur gesunde Wälder speichern Kohlenstoff und wirken als natürliche Klimaanlagen. Dafür braucht es Mischwald statt Monokulturen. Die Bundesregierung unterstützt Waldbesitzer beim Umbau mit insgesamt 900 Millionen Euro. Der schlimmste Feind ist der Borkenkäfer, der besonders Fichten befällt. Die Regierung erlaubt es den Waldbesitzern im Naturschutzgebiet Bayerischer Wald, den Borkenkäfer zu bekämpfen, die befallenen Bäume zu fällen und zu entfernen. Die Naturschützer sind schwer dagegen.

Heilige Bäume - Der Mythos des Baumes

Wer von heiligen Bäumen spricht, meint damit: Ein Baum ist nicht nur eine Materie, aus der man Balken, Bretter oder Brennholz macht, sondern ein eigenständiges Wesen mit einer spirituellen, heiligen, heilenden Kraft. Auch das Wort heilig bedarf einer Erklärung. Damit ist nicht eine heroische Gesinnung gemeint, eine moralische Leistung, sondern eine Erfahrung des ergriffen seins, ausgeliefert seins oder auch des Verzückst seins, eines unbeschreiblichen Glücks. Eines heiligen Schauder. Die angemessene Haltung ist Ehrfurcht, Stille, Verehrung. Es ist ein Erleben, in der wir nicht über eine Sache verfügen, in dem wir etwas planen und machen, sondern wo etwas mit uns geschieht, wo andere Wesen über uns bestimmen.Für Naturvölker sind es Geister, die sich äußern. Es kann ein Schrei, ein Licht, ein Windstoß sein. Don Juan, der Medizinmann, der den amerikanischen Studenten Carlos Castaneda, in die Lehre der Tolteken einführt und mit ihm durch die Wildnis wandert, mahnt seinen Schüler: Ganz still zu sein, damit uns die Geister nicht hören. Für die Ureinwohner Amerikas ist eine Pflanze ein lebendes Wesen, vor dem man Achtung haben muss. Castaneda muss eine bestimmte Pflanze laut um Vergebung bitten, bevor er sie pflückt. In früheren Zeiten sagten Holzfäller, wenn ein Baum zu Boden fiel: „Der Herr, gib ihm die ewige Ruhe!."

 

Heilige Bäume der Germanen

Unsere Vorfahren hatten eine Einstellung zur Natur, die der Auffassung der Ureinwohner Amerikas ähnlich ist. Die Germanen haben zur Verehrung der Götter keine Tempel, sondern heilige Wälder. Der römische Schriftsteller Tacitus berichtet „Im Übrigen glauben die Germanen, dass es der Hoheit der Himmlischen nicht gemäß sei, Götter in Wände einzuschließen oder irgendwie der menschlichen Gestalt nachzubilden. Sie weihen ihnen Lichtungen und Haine und mit göttlichem Namen benennen sie jenes geheimnisvolle Wesen, da sie nur in frommer Verehrung erblicken." Im Rauschen der Buchenwälder vernahm man die Stimme der Götter. Priester oder Schamanen deuteten sie.. Auf der Suche nach der Kraft der Erde und des Ursprungs wollen viele das Schamanentum der vorgeschichtlichen Zeit wieder beleben. Dazu gibt es Ausbildungen. Eine wichtige Übung besteht darin, Bäume zu umarmen, um deren in deren Berührung die Wurzeln der eigenen Seele zu spüren.
Die Donareiche

Eine besondere Verehrung galt der Eiche, die dem Gott Donar geweiht war. Damit verbindet sich ein historisches Ereignis, welches als Einschnitt in der Religion und im Weltbild der germanischen Völker gerne zitiert wird.
Es geht um die Donareiche, die der englische Missionar Winfried / Bonifatius gefällt hat. Sie war der Überlieferung zufolge dem germanischen Gott Donar bzw. Thor geweiht und stand bei Geismar, heute Stadtteil von Fritzlar. Um die zum Großteil noch nicht zum Christentum bekehrten Chatten zu überzeugen, versuchte Bonifatius die Ohnmacht der altgermanischen Götter zu beweisen und ließ im Jahre 723, unter dem Schutz fränkischer Krieger und in Gegenwart zahlreicher Chatten, die Eiche fällen, die eines der wichtigsten germanischen Heiligtümer war. Aus dem Holz der Eiche ließ Bonifatius an einem nicht näher bezeichneten Ort ein dem Hl. Petrus geweihtes Kapelle (oratorium) bauen. Im Empfinden der damals lebenden heidnischen Stämme war dies ein Frevel vergleichbar dem, als würde man heute die Gnadenkapelle in Altötting abreißen. Man erwartete die Strafe des Gottes Donar. Aber es schlug kein Blitz ein. In postchristlichen Literaturbeiträgen wird diese Handlung eher kritisch betrachtet. Man kann lesen: Bonifatius habe die geistige Welt der Germanen zerstört. Er habe den Bäumen, dem Wald und der Natur die Heiligkeit genommen und sei für den Beginn des tödlichen Fortschritts durch das Christentum verantwortlich.
Heilige Bäume nach Bonifatius
Die Vorstellung , dass sich das Heilige in Bäumen offenbart ist nach Bonifatius nicht untergegangen. Es haben sich an Bäumen sogar Wallfahrtsorte entwickelt. Dafür stehen einige konkrete Namen. Einige seien genannt.
Maria Eich, Planegg, Vorort von München.
Die Geschichte der Wallfahrt beginnt damit, dass 1710 von frommen Personen mitten im Wald eine Marienstatue aufgestellt wurde. Darauf geschah eine Heilung, also ein Wunder an einer Dienstmagd. Die Kunde verbreitete sich und zog Gläubige an. In der Beschreibung der Wallfahrt heißt es:
„Diese in Maria Eich zu beobachtende Affinität der Gläubigen zu einem Baum und die Gründung eines Wallfahrtsortes mitten im Wald sind wohl auch Ausdruck eines urmenschlichen Bedürfnisses nach der Nähe zur Natur, das der Mensch aller Jahrhunderte gespürt hat, und des Verlangens nach Schutz vor den Unbilden des Klimas und des Wunsches nach der Verehrung dessen, der diese Kräfte erschaffen hat."
Zur Wallfahrt gehört der Klosterwald Maria Eich, Eichen-Hainbuchen-Wald, der 40 hr umfasst. Etwa 50 Exemplare der Eichen in der Waldregion rund um die Wallfahrtskirche sind rund 250 bis 300 Jahre alt; diese werden als „Methusalem-Bäume" bezeichnet. Man könnte sagen: Die heiligen Eichen wurden durch Bonifatius nicht ausgerottet.
Ein anderer Baum- Wallfahrtsort ist Maria Birnbaum in Sielenbach bei Aichach. Die Geschichte verlief ähnlich. Es war in derselben Zeit im 17.Jahrhundert. An einem Baum wurde ein Marienbild aufgestellt. Es geschah ein wunder, darauf entstand eine Wallfahrt. Der Baum-ein Birnbaum- ist wie in Maria Eich hinter dem Hochaltar aufgestellt. Er gilt als heilig. In derselben Reihe ist auch Maria Buchen, ein Wallfahrtsort bei Lohr am Main. Die Geschichte ist fast die gleiche und findet in derselben Zeit statt.
Ein andere Geschichte hat die Hl.Linde in Puch bei Fürstenfeldbruck. In ihr hat die die selige Edigna im 8.Jahhundert gelebt und wird dort verehrt auch durch Festspiele..
Es gibt noch viele andere Bäume mithohem alter, gewaltigen Umfang und besonderen Namen, denen man Ehrfurcht bezeugt. Dazu gehört die Tassilolinde im Wessobrunn

Wer hat das Heilige zerstört?
Der Missionar Bonifatius hat die Donareiche gefällt, aber nicht die Erfahrung des Heiligen als solchem. Es wurde das Objekt der Verehrung ausgetauscht, aber die Seele des germanischen Menschen wurde nicht der Erfahrung des Heiligen beraubt. Die Vorstellung, dass man im Wald das Religiöse eher erleben kann als in einer Kirche, ist immer noch lebendig. Man kann hören: Wenn ich religiös sein will, gehe ich in den Wald". Einsame Kapellen im Wald werden gerne aufgesucht als Ziel einer Wallfahrt oder einer Wanderung. Es gab ja gewaltige Schöpfungen aus dem spirituellen Grund der Nachfahren jener Völker, zu denen der Mönch aus England die Botschaft und die Kultur des Christentums brachte.
Man denke an Hildegard von Bingen, deren kluge Ratschläge zu Einstellung zur Natur und gesunder Lebensführung heute noch anregen.
Der große Einbruch in die Einheit von Seele und Natur geschah durch die Aufklärung des 18.und 19.Jahhunderts. Es ist der Fortschritt zum wissenschaftlichen Denken und zur Selbstbestimmung. Man hat aber wissenschaftliches Denken auf den gesamten Lebensbereich ausgedehnt und schließt Erfahrungen eigener Art außerhalb des rationalen Rahmens aus mit dem Einstellung: Was sich nicht wissenschaftlich beweisen lässt, gibt es nicht, darf man als zu Mythen erklärt, die man als denkender Mensch vergessen kann.
Die Einstellung der kritischen Aufklärer ist in dem Satz ausgedrückt:
„Es ist nichts als." Für Sigmund Freud, in dessen Seelentheorie das Heilige nicht vorkommt, ist Gott nichts als der in den Himmel projizierte eigene Vater. Religion nichts als eine Kindheitsneurose, die man als Erwachsener ablegt.
Der Waldacker
Mit dieser Einstellung wurde auch der Wald betrachtet, nämlich nichts als der nützliche Lieferant für Bau- und Brennholz. Der Wald als eigenständiges Wesen, welches seinen Wert im bloßen Dasein für das Zusammenspiel der Natur hat, ging verloren.
Man sprach vom „Waldacker", der wie ein Acker seinen Ertrag abwerfen sollte. Deshalb pflanzte man vorzüglich Fichten, weil sie schnell wachsen und schon nach kurzer Zeit einen Ertrag abwerfen. Daraus wurden die Monokulturen, die am meisten vom Borkenkäfer betroffen sind. Man darf einen Zusammenhang von säkularisiertem, rein Nützlichkeit bedingtem Denken vom Wald und den neuesten Waldschäden sehen.

Der religiöse Brauch der Semnonen(Germanen) mach Tacitus
Die vom Christentum überwundene geistige Welt der Germanen gilt es etwas genauer zu betrachten. Noch einmal sei Tacitus zitiert: „Als die ältesten und vornehmsten Sueben betrachten sich die Semnonen. Den Glauben an ihr hohes Alter bestätigt ein religiöser Brauch. Zu bestimmter Zeit treffen sich sämtliche Stämme desselben Geblüts, durch Abgesandte vertreten, in einem Haine, der durch die von den Vätern geschauten Vor¬zeichen und durch uralte Scheu geheiligt ist. Dort leiten sie mit öffentlichem Menschenopfer die schauderhafte Feier ihres rohen Brauches ein. Dem Hain wird auch sonst Ver¬ehrung bezeigt: niemand betritt ihn, er sei denn gefesselt, um seine Unterwürfigkeit und die Macht der Gottheit zu bekunden. Fällt jemand hin, so darf er sich nicht aufheben lassen oder selbst aufstehen; auf dem Erdboden wälzt er sich hinaus. Insgesamt gründet sich der Kultbrauch auf den Glauben, dass von dort der Stamm sich herleite, dort die allbeherrschende Gottheit wohne, der alles andere unterwor¬fen, gehorsam sei." Es ist ein sehr düsteres Bild, das von einem religiösen Ritus gezeichnet wird. Ein Mensch wird geopfert, meist ein Gefangener oder ein Sklave. Gefesselte Hände bedeuten: Sie opfern ihre Freiheit, die von Tacitus so gerühmt wird, der Gottheit.: Es ist das Numinose, das sich als überwältigend und Schrecken erregend und als die Kraft, den Stamm zusammenhält, offenbart.
Bei aller Sympathie für indigene Werte und bei aller Kritik an der Geschichte des Christentums dürfte kaum jemand daran Interesse haben, solche Bräuche als wertvoll und erhaltenswert zu bezeichnen. Wenn es um die Vergangenheit des Christentums geht, ist häufig von der Evolution des Bewusstseins die Rede, welche das finstere Mittelalter überwunden hat und den Kern des Fortschritts ausmacht. Die Entwicklung des rationalen Denkens hat die Wissenschaft, die Technik, den modernen Wohlstand und die Menschenrechte gebracht, allerdings auch die Klimakatastrophe. Niemand würde sich das Mittelalter zurückwünschen, aber doch Schamane zu werden wie zur Zeit des Tacitus, meinen manche. Wir müssten dann auch so leben wie die Menschen von damals, deren Gebräuche der römische Schriftteller beschreibt. Der Psychologe C.G.Jung hat das Problem modernes Bewusstsein und historische Wurzeln der Seele gesehen, es in seinem eigenen Leben durchgearbeitet. Es ist ein Entwicklungsprozess der Persönlichkeit, in der sich rationales Bewusstsein und die Urkraft der Natur in der eigenen Existenz versöhnt. Die Kraft des Unbewussten, des persönlichen und des kollektiven verbindet sich mit dem Licht des Bewusstseins. Es ist dies die Aufgabe der zweiten Lebenshälfte. Es gibt Menschen, denen dies gelungen ist. Dazu gehört Jung selbst. Außerhalb der modernen Psychologie ist der Sonnengesang des heiligen Franziskus zu nennen. Der Verfasser ist von Gott wie von der Sonne durchleuchtet, er ist in der Mitte der Schöpfung und in den Herzen der Menschen, frei von der Angst vor der Zukunft und vor dem Tod. Dieses Lied könnte man als Gegenstück zum Schauder erregenden Bericht des Tacitus sehen. Nicht ein grausames Menschenopfer, nicht totale, blinde Unterwerfung, sondern Freude, Jubel Freiheit, aufblühen, Versöhnung, Überwindung des Todes. Es ist im Grund das, was mit Erlösung und mit der Botschaft Christi gemeint ist.