16. Sonntag C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Gen 18, 1 - 10a

2.Lesung Kol 1, 24 - 28

Evangelium Lk 10, 38 - 42


+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
38 In jener Zeit  kam Jesus in ein Dorf, und eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf.
39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.


Die belohnte Gastfreundschaft  

Wieder wird uns heute eine Stelle angeboten, die unsere Vorstellungen durchkreuzt. Jesus lobt die, welche nichts tut und tadelt die Fleißige, so könnte man auf den ersten Eindruck hin meinen. Hatte Martha im Grunde mit ihrer Klage doch recht? Eigentlich gehört es sich, dass alle zusammenhelfen. Anschließend kann man immer noch den Worten Jesu lauschen. Spontan hätten wir so reagiert. Dies gerade in einer Zeit, wo Hilfsbereitschaft wie nie zuvor gefordert ist. Jesus stellt hier unsere beste Absicht in Frage, wenn man den tieferen Zusammenhang, das Eigentümliche seines Daseins und Auftretens nicht beachtet. Versetzen wir uns einmal in die Lage Jesu!

Er ging gerne nach Bethanien. Dort hat er auch immer gastliche Aufnahme gefunden. Aber geht es Jesus bei dieser Einkehr um das Essen? Was ihn nach Bethanien zieht, ist vielmehr das Verstehen und die Freundschaft, die er dort findet. Was wäre gewesen, wenn die beiden Schwestern in der Küche hantiert hätten und er allein in der Stube gesessen wäre? Keiner hätte sich in einer solchen Situation wohlgefühlt. Jesus braucht Menschen, die ihm zuhören, wo eine Atmosphäre des Vertrauens und der persönlichen Nähe aufkommt.

Dazu gehört jene Szene am Jakobsbrunnen (Vgl. Joh 4, 1 - 42), in der Jesus eine Frau aus der Stadt in ein Gespräch verwickelt. Er öffnet dabei jene seelische Tiefe, für die der Brunnen mit frischem Wasser das treffendste Symbol ist. Es endet damit, dass Jesus sein innerstes Geheimnis, wer er ist, öffnet und die Frau beglückt zu den Ihrigen heimkehrt. Die Begegnung mit der Samariterin wird ihm sogar so wichtig, dass er darüber das Essen vergisst: „Meine Speise ist es, den Willen meines Vaters zu tun und sein Werk zu vollenden“ (Joh 4, 34).

Dass man wegen eines Gesprächs oder einer Arbeit das Essen vergessen kann, ist uns nicht unbekannt. Es kann sich immer dort ereignen, wo man zuinnerst engagiert ist. Dies kann zur Spur werden, die zu Gott führt. Er ist dort, wo wir zutiefst betroffen sind. Nehmen wir dies ernst, wird es nachvollziehbar, dass die Großen der Religionsgeschichte auf das Essen immer weniger Wert mehr legten. Dies macht eine kurze Episode aus dem Leben des heiligen Franziskus und der heiligen Klara anschaulich. Es heißt in einer Legende aus den Fioretti: Als sie zusammen bei Tisch saßen, sättigten sie ihre Seele an so überreicher göttlicher Süße, dass sie von der leiblichen Speise wenig oder gar nichts berührten.
Dies dürfte auch bei Jesus gewesen sein in einem noch größerem Ausmaß.
Immer dort, wo Jesus etwas von seinem Innersten, von seiner göttlichen Sendung aussprechen kann, wird dies zur dichtesten Situation seines Daseins und derer, die um ihn sind.

So ist es am Jakobsbrunnen und so dürfen wir es auch in Bethanien vermuten, wo Maria voller Geist, voller Aufmerksamkeit, aufgeschlossen für das Neue Jesus gegenüber sitzt. Man kann sich eine Atmosphäre vorstellen, welche der am Jakobsbrunnen ähnlich ist, von solcher Tiefe und von solcher Frische wie das Wasser aus dem Brunnen. Es werden ungeahnte  Räume des Erlebens auf beiden Seiten geöffnet. Dies wird durch jene Szene bestätigt, bei der dieselbe Maria ein Gefäß mit kostbarem Nardenöl im Wert von dreihundert Denaren nimmt und damit Jesus die Füße salbt. Es ist der Lohn eines Jahres, wenn man nach dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1 - 16) den Tageslohn eines Erntearbeiters zu Grunde legt. Eine Frau hätte sich wohl zur damaligen Zeit zehn Jahre dafür plagen müssen. Man darf  annehmen, dass in diesem Nardenöl ihr ganzes Erspartes lag. Gerade wegen der Höhe des Wertes sind die Umstehenden überrascht, sogar peinlich berührt und können darin nur  Verschwendung sehen. Für die Frau ist dies der Ausdruck dessen, was in ihr vorgeht. Wir können nur ahnen, wie ergreifend das Glück und wie tief die Dankbarkeit sein  müssen, um sein ganzes Erspartes zu opfern. Diesen Raum des Erlebens, der so kostbar ist und alles andere in den Schatten stellt, meint Jesus, wenn er von der Wahl des Besseren spricht und Maria in Schutz nimmt. Es ist die Atmosphäre, in der sich auch die Erzählung von Lazarus, seinem Freund bewegt. Von dessen Tod ist Jesus erschüttert, um ihn weint er und ihn ruft er ins Leben zurück. In der Verbundenheit mit seinem Freund öffnet sich die Kraft, die selbst den Tod überwindet. 

Wir dürfen darin die Grundströmung erkennen, die alle Texte durchzieht. Von ihr ist auch die gescholtene Martha durchdrungen, als sie nach dem Tod ihres Bruders Jesus begegnet und ihr absolutes Vertrauen zu ihm bekennt. Sie ist gar nicht die Geschäftige, die nur das Äußere kennt. Sie zeigt sich als die, welche mit Jesus zutiefst verbunden ist bis in die Sphäre des Todes hinein (Joh 11,1 - 41).
Paulus, der in denselben Erlebnisraum eingetaucht ist, spricht vom Geheimnis, das bisher verborgen war und jetzt erst geöffnet wurde. Es ist Christus in ihm und in seinen Lesern. Damit geht eine Erfahrung der Tiefe einher, welche einen unerhörten Reichtum in sich schließt, eine Beglückung und Erfüllung, die nur die kennen, denen sie zuteil wurde.
Aus dieser Urerfahrung heraus haben die frühen Christen empfunden, gedacht,  gesprochen und  geschrieben. Was noch dazu kommt: auf  diesem Hintergrund  haben sie die  Texte des Alten Testaments  gelesen so auch die Geschichte von Abraham, seinen mühsamen Wegen, seiner Sehnsucht nach einem Nachkommen. Die überfließende Gastfreundschaft  Abrahams, von der heute berichtet wird, drückt die Freude aus, dass endlich die Verheißung Wirklichkeit wird. Für die, welche an Christus glauben, ist es der Jubel,  dass Gott zu seiner Verheißung steht, dass Christus und mit ihm die Hoffnung ganz tief im Herzen angekommen ist.