14.Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Jes 66, 10 - 14c

2.Lesung Gal 6, 14 - 18

Evangelium Lk 10, 1 - 12.17 - 20

 

Die Kraft der Überzeugung

Der moderne Mensch ist skeptisch gegenüber jeder Missionierung, ganz gleich aus welchem Lager sie kommt. Man verbindet damit die Angst, etwas übergestülpt zu bekommen, eine bestimmte Sicht vom Menschen, von der Welt, von Gott. Wenn  jemand es besser zu wissen glaubt, was für mich gut ist und wie ich mich zu verhalten habe, geht das einem  gegen den Strich.                                                      
Die Boten, die Jesus ausgesandt hat, hatten durchaus Erfolg. Sie konnten mit Freude berichten, dass ihnen selbst die bösen Geister gehorchten. Wir dürfen fragen, woran es liegt, dass Ihre Botschaft damals ankam und heute nicht, warum so viele sogar - so hat es den Anschein - des Christentums überdrüssig geworden sind. Die ersten Jünger sollten den Leuten sagen: „Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,9). Mit dieser Botschaft lockt man heute niemand mehr von der Straße weg, noch weniger vom abendlichen Fernsehprogramm. Dabei müsste ein Jubel ausbrechen, stärker noch als bei der Nachricht, dass die deutsche Fußballmannschaft  gewonnen hat. Nehmen wir einmal die Aussage: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,16) ganz wörtlich und ganz ernst.

„Das Reich Gottes ist nahe“ heißt dann: Die Liebe ist ausgebrochen. Wenn Gott unmittelbar zu spüren ist, dann schlägt uns in jedem, den wir antreffen, in jedem Lebewesen, an jedem Ort die Liebe entgegen. Es gibt Menschen, welche Gott tatsächlich erlebt haben. Sie sagen: Es ist die reinste Freude, es ist eine Nähe, wo Menschen einander spontan umarmen, es ist eine Atmosphäre, so dicht, so tragend und schön, dass man wie von selbst in ein Loblied einstimmen möchte. Es ist ein Vorgang, wie wenn eine Pfingstrose aufblüht und ihren Duft verbreitet. Wenn Gott in jedem Herzen regiert, dann ist nichts mehr wie früher. Dann sind die alten Gesetzmäßigkeiten von Hass, Vergeltung und Rache, von Gier, von Genuss und Gewinn außer Kraft gesetzt. Dann ist es möglich, aus reiner Freude zu handeln, aus  schöpferischer Kraft, Neues zu gestalten. Es ist, wie wenn man bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht gelebt, wie wenn man seine Jahre einfach verschlafen hätte und erst jetzt aufgewacht sei; es ist, wie wenn man noch einmal jung geworden, ja sogar noch einmal geboren sei.                                                                                                            
Die frühen Christen nannten diesen neuen Zustand „Wiedergeburt“. Paulus spricht von einer „neuen Schöpfung“, die sich in jedem ereignet, der wie er Christus, dem Auferstandenen begegnet. Jesus selbst spricht vom „Frieden“, der alle ergreift, die vom Gruß der Jünger erreicht werden und mit der Kraft Jesu in Berührung kommen. Weil diese stärker ist als alles verworrene Denken ist, hinterlassen die Verkünder eine neue, ungewohnte Atmosphäre. Von nun an bestimmen die Freude, die von Gott kommt, und die gegenseitige Anziehung, nicht mehr Angst und Verzweiflung das Zusammensein. Das Böse hat seine bestimmende Macht verloren. So können die zurückgekehrten Jünger jubeln: „Selbst die bösen Geister gehorchen  uns“ (Lk 10,17).

Etwas von der durchschlagenden Wirkung Jesu ist vom heiligen Franziskus, gewiss noch von vielen anderen Heiligen   überliefert. Wir dürfen an die spontane Herzlichkeit denken, mit welcher die ersten Brüder einander begegnen, an die Freude und Heiterkeit im Umgang mit einander, die Sympathie, die einander angezogen hat. „Die Fröhlichkeit des Geistes“ sah der Heilige als das sicherste Mittel gegen das Böse. Er trat selbst als Verkündiger auf und hatte einen Riesenerfolg. Ein Zeitgenosse beschreibt seine Erscheinung als äußerst überzeugend. „Er sprach so treffend im Inhalt und mit solcher Beredsamkeit, dass viele Gebildete, die zugegen waren, von Bewunderung erfüllt wurden“. Die Wirkung war überwältigend. Was er sagte, war einfach, aber es traf. Es kam unmittelbar aus ihm heraus. Er hatte nicht die Manieren eines Predigers, in denen vieles rollenhaft, abgeschliffen und verbraucht empfunden wird und deshalb nicht greift. Es kam aus dem unmittelbaren Erleben, aus der Ergriffenheit, die sich von selbst überträgt. Weiter berichtet der Zeitgenosse, der Heilige habe sich wie im Gespräch gegeben. Wörtlich genommen und auf unsere Zeit übertragen könnte dies heißen: Er war unmittelbar bei den Zuhörern, achtete auf ihre Reaktionen, spürte ihre unausgesprochenen Probleme und Fragen und versuchte darauf einzugehen. Es ist aber noch mehr: Er hat niemand durch brillierende Logik oder durch Aufstacheln von Emotionen überrollt. Er nahm auch nicht den Vorteil - heute würden wir sagen den Bonus - eines Klerikers in Anspruch. Dies zeigte sich schon an seinem Kleid. Es war ärmlich und nicht die Standeskleidung eines anerkannten Predigers. Nicht einmal sein Gesicht konnte man als schön bezeichnen. Aber seine Erscheinung war in allem authentisch und dies schlug ein. Männer und Frauen drängten sich in Massen um ihn, einfach weil sie zutiefst bewegt waren. Selbst viele aus der Aristokratie, die sich über die normalen Regeln des Umgangs erhaben dünkten und in gnadenlose Feindschaften verstrickt waren, fühlten sich angesprochen und fanden zum Frieden miteinander. Die Kraft seiner Überzeugung kommt aus seiner Lebensgeschichte. Seine Erscheinung ist nicht zu verstehen ohne seinen ganz eigenen Entwicklungsweg, auf dem er sich immer mehr der Gnade Gottes öffnete und immer durchlässiger für sie wurde. Er war es auch, der den Auftrag, nichts als die Kraft Jesu und sich selbst mitzunehmen, ganz wörtlich nahm. Er brauchte keine Hilfsmittel, er selbst war das beste Instrument der Verkündigung.

Die Frage bleibt: Wie kann die Botschaft Jesu auch heute greifen? Das Wort Authentizität wird heute sehr häufig genannt. Es ist die Echtheit, wie sie der heilige Franziskus besaß und die Jesus von seinen Jüngern verlangt hat. Es ist eine  Einstellung, in welcher das Innere mit dem Äußeren übereinstimmt, anders ausgedrückt: in welcher die Wahrheit eines Menschen aufleuchtet und die Grenzen der Vorurteile und Emotionen überschreitet. Dann wird es durchaus möglich, dass Friede einkehrt, dass Freude aufbricht und Menschen zu neuer Hoffnung erwachen.