4.Sonntag im Jahreskreis A

Warum liebt Gott die Armen mehr als die Reichen, die Hungrigen mehr als die Satten? Er liebt die einen und die anderen; aber die Reichen fürchten sich davor, geliebt zu werden; ihr hartes Herz könnte davon weich werden, ihr Reichtum schmelzen. Und doch wäre das viel besser für sie.

Eröffnungsvers Ps 106 (105), 47

Hilf uns, Herr, unser Gott, führe uns aus den Völkern zusammen!
Wir wollen deinen heiligen Namen preisen,
uns rühmen, weil wir dich loben dürfen.

Ehre sei Gott

Tagesgebet


Herr, unser Gott,
du hast uns erschaffen, damit wir dich preisen.
Gib, dass wir dich mit ungeteiltem Herzen anbeten
und die Menschen lieben, wie du sie liebst.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Zur 1.Lesung: Wenn sich das Volk dazu durchringen könnte, Gerechtigkeit und Demut zu lernen, also das zu tun, was vor Gott und den Menschen recht ist, dann gäbe es im kommenden Gericht Gottes vielleicht Rettung. Aber wahrscheinlich wird das reinigende Feuer der Katastrophe notwendig sein, und nur ein Rest des Volkes wird übrig bleiben. Diesem armen, gedemütigten Volk gibt der Prophet Hoffnung. Was er in die konkrete Situation seiner Zeit hinein gesagt hat, kann auch uns heute beunruhigen. - Jesus hat die Menschen seliggepriesen, die „vor Gott arm sind“.

1.Lesung Zef 2, 3; 3, 12 - 13

Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk

Lesung aus dem Buch Zefanja
3 Sucht den Herrn, ihr Gedemütigten im Land, die ihr nach dem Recht des Herrn lebt. Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut! Vielleicht bleibt ihr geborgen am Tag des Zornes des Herrn.
12 Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht such beim Namen des Herrn.
13 Der Rest von Israel wird kein Unrecht mehr tun und wird nicht mehr lügen, in ihrem Mund findet man kein unwahres Wort mehr. Ja, sie gehen friedlich auf die Weide, und niemand schreckt sie auf, wenn sie ruhen.
 
Antwortpsalm Ps 146 (145), 5 u. 7.8-9b.9c-10 (R: Mt 5, 3)

R      Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.- R           (GL neu 401)
         (Oder: Halleluja.)                                                                                          

5       Wohl dem, dessen Halt der Gott Jakobs ist
         und der seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott, setzt.
7       Recht verschafft er den Unterdrückten,
         den Hungernden gibt er Brot;
         der Herr befreit die Gefangenen. - (R)

8       Der Herr öffnet den Blinden die Augen,
         er richtet die Gebeugten auf.
9ab   Der Herr beschützt die Fremden
         und verhilft den Waisen und Witwen zu ihrem Recht. - (R)
 
9cd   Der Herr liebt die Gerechten,
         doch die Schritte der Frevler leitet er in die Irre.
10     Der Herr ist König auf ewig,
         dein Gott, Zion, herrscht von Geschlecht zu Geschlecht. - R
 
Zur 2.Lesung: Die Botschaft vom Kreuz, d. h. von der Erlösung durch den Kreuzestod Jesu, bleibt ärgerlich, sie kommt bei den Weisen und Mächtigen dieser Welt nicht an. Die armen und einfachen Leute verstehen sie besser. So war es immer schon. Gott schafft sich sein Volk aus dem „was nichts ist“. (1,28). Gerade darin erweist er sich als Gott. Vor ihm kann es kein stolzes Sich-Rühmen, sondern nur ein demütiges Danken geben.

2.Lesung 1 Kor 1, 26 - 31

Das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther
26 Seht auf eure Berufung, Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, 27 sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen.
28 Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, 29 damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott.
30Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung.
31Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn; so heißt es schon in der Schrift.
 
Ruf vor dem Evangelium Vers: Mt 5, 12a

Halleluja. Halleluja.
Freut euch und jubelt:
Euer Lohn im Himmel wird groß sein.
Halleluja.

Zum Evangelium: In der Bergpredigt (Mt 5 - 7) tritt Jesus als der neue Mose auf, der die neue, die „bessere“ Gerechtigkeit verkündet. Die Seligpreisungen der Bergpredigt sind der Form nach Glückwünsche, dem Inhalt nach nennen sie sich Einlassbedingungen zum Gottesreich. Die kürzere Form der Seligpreisungen bei Lukas (6,20 - 23) ist vermutlich die ursprüngliche; die Erweiterungen bei Matthäus sind bereits Deutungen des Evangelisten. Die „Armen“ und „Hungrigen“ sind nicht nur eine wirtschaftlich-soziale Gruppe; es sind Menschen, die vor Gott wissen und bejahen, dass sie nichts haben und nichts können, also ganz auf Gott angewiesen sind.

Evangelium Mt 5, 1-12a

Selig, die arm sind vor Gott

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit
1 als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
2 Dann begann er zu reden und lehrte sie.
3 Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
4 Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
5 Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
7 Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
8 Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
10 Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
12 Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.


Die Bergpredigt ist möglich

Der Text des heutigen Sonntags ist die Einleitung zur Bergpredigt. Das Wort vom Berg, auf den Jesus steigt, will die Bedeutung seiner Rede hervorheben. Sie enthält die Kernsätze seiner Verkündigung. Sie ist aber auch Anlass zu Missverständnissen. Viele sehen in ihnen eine Sammlung untragbaren Forderungen und einen Jesus, der die Gesetze des Alten Bundes noch verschärft, eine Utopie, die erst beim endgültigen Kommen des Reiches Gottes Wirklichkeit werden soll. Im Grunde sind die meisten Hörer, Leser und Ausleger ratlos. Wer kann sich eine Hand abhacken oder ein Auge ausreißen, wenn es um das Zusammenleben und um das Reich Gottes geht? Wer kann schon die linke Wange hinhalten, wenn ihm auf die rechte geschlagen wird?

Ist die Bergpredigt überhaupt erfüllbar? fragen sich viele. Weil man zu keiner Lösung kommt, lässt man sie lieber links liegen. Es ist wahr: die Bergpredigt spielt im konkreten Leben außerhalb und innerhalb der Kirche kaum eine Rolle. Und doch gab es Menschen, die sie gelebt haben, innerhalb und außerhalb des Christentums. So war es Mahatma Gandhi, der sich von der Bergpredigt leiten ließ und die absolute Ehrfurcht vor jedem lebenden Wesen und Gewaltlosigkeit zur höchsten Norm seines politischen Handelns machte. Er befreite dabei einen ganzen Kontinent von der Kolonialherrschaft. Als Christen können wir auf Mutter Teresa hinweisen, die in demselben Land für die Allerärmsten Heroisches geleistet hat. Noch näher ist uns allerdings der Name des Mannes aus Assisi, der heilige Franziskus. Er ist einer der überzeugendsten Menschen der Geschichte, die durch ihr Leben zeigen: die Bergpredigt ist möglich! Obwohl schon achthundert Jahre dazwischen liegen, ist die Ausstrahlung von Franziskus ungebrochen und gewinnt in letzter Zeit gerade durch den neuen Papst, der bewusst diesen Namen gewählt hat, noch an Bedeutung. Aber wie können Größe und Umfang  seines Lebens, das heißt zugleich die Bergpredigt in unserer Zeit Gestalt annehmen?

Es führt in eine Sackgasse, würden wir die erste Seligpreisung „Selig die Armen im Geiste“ als radikale Höchstforderung verstehen und von heute auf morgen versuchen, so arm wie der heilige Franziskus zu leben. Es gibt eine andere Spur, die weiter führt. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber übersetzt „selig“ mit „O, das Glück!“ Wenn Jesus sagt: „O das Glück derer, die arm sind im Geist!“ sollten wir einmal anhalten und es auf uns wirken lassen.

Wir dürfen annehmen, dass Jesus zunächst einmal von sich selbst spricht. Er selbst hat das Glück erfahren, als sich für ihn der Himmel öffnete. Es ist so groß, dass es alle Grenzen sprengt, dass alles, was Besitz, Macht, äußerer Genuss, Karriere, Position und noch alles andere, wonach Menschen trachten, als Null erscheint! Es gab Szenen, in denen Jesus von Jubel und Freude überwältigt war. So schildert es auch der Apostel Paulus. Nachdem ihm Christus begegnet war und er in seine Atmosphäre eingetaucht wurde, ist alles, was ihm bisher wichtig war, seine Verbindungen und seine Karriere als Rabbi weggebrochen. Es ist für ihn nur noch Mist (Vgl. Phil 3 ff). Es muss hinreißend, bewegend und erschütternd schön sein, was dieses Glück ausmacht. Wir werden die Bergpredigt und damit Jesus selbst nie verstehen, wenn wir nicht in diesen Raum des Erlebens eintauchen, wenn wir nicht etwas von diesem Glück in uns spüren. Hier tut sich eine Tür auf, um auch dem heiligen Franziskus näher zu kommen. Es lässt sich auch bei ihm eine Spur von Erlebnissen verfolgen, die dem in der Bergpredigt angesprochenen Glück wie auch dem des Paulus ähnlich sind. Da ist schon einmal ganz zu Beginn seines Weges der Traum vom prächtigen Schloss, der ihn in Staunen versetzt und ihn in seinem Streben nach Größerem, als im väterlichen Laden zu stehen, bestärkt. Einen gewaltigen Einschnitt bringt eine nächtliche Heimkehr mit seinen Freunden. Hier heißt es wörtlich: „Denn plötzlich hatte ihn der Herr berührt. Und eine solche Süße erfüllte sein Herz, dass er weder reden noch sich bewegen konnte.“
Seine Begleiter sahen ihn wie in einen anderen Menschen verwandelt. Es war dieses Ereignis und noch weitere, die ihn aus der Bahn warfen und im Innersten umdrehten. Am bekanntesten ist die Szene in der Kapelle S. Damiano, in der Christus ihm den Auftrag gibt, sein Haus wiederherzustellen. „Dabei erfüllte ihn eine so hohe Freude und ein so wundersames Licht, dass er in seiner Seele wahrhaft Christus den Gekreuzigten empfand“. Damit diese einzelnen Erfahrungen Dauerzustand wurden, zog er sich vom bisherigen Leben in der Stadt an einsam gelegene Orte zurück und begann eine neue, recht abenteuerliche Lebensweise, die aus Gebet, Arbeit, Wandern und Betteln bestand. Es war der Drang, das bisher Erlebte zu vertiefen. Es riss ihn weg aus allem, was Besitz bedeutet, und machte ihn zu dem so bekannten Liebhaber der Armut. In den Lebensbeschreibungen heißt es: Er „folgte dem inneren Zug seines Herzens, der ihn unter Missachtung alles Irdischen zum höchsten Gute zog”. Ein anderes Zitat lautet: „Nachdem ihn einmal die innere Süße durchströmt hatte, lockte sie ihn weiter und weiter und verließ ihn sein ganzes Leben nicht mehr.“
Die Süße dürfen wir uns nicht vorstellen als ein Schwelgen in Gefühlen, als Euphorie, die leicht umkippt, sondern als eine Grundstimmung, die sich über jedes lebende Wesen freut, die niemand abstößt, die sich von der Not der Menschen betreffen lässt; es ist eine Einstellung, in welcher kein Raum mehr ist für dunkle Gefühle, für Vergeltung und Rache, eine Einstellung, welche zu Echtheit in allem Reden und Tun und zum Einsatz für die Bedürftigen drängt. Es ist die Basis dessen, was Jesus in seiner Rede sagt.                                                                                                                             

Um die Bergpredigt in unser Leben zu übertragen heißt das: Wir dürfen als erstes nach dem großen Glück streben, das Jesus preist, als Voraussetzung für alles andere. Nur aus ihr heraus sind die hohen Ideale zu verwirklichen.
Die entscheidende Frage lautet: Wie komme ich dahin, dass ich mich so freuen kann wie der heilige Franziskus?
Dazu kann uns ein anderer großer Heiliger, Ignatius von Loyola einen guten Hinweis geben. Auf seinem Krankenlager stellt er fest, dass in ihm nach dem Lesen von seichter Literatur, von Ritterromanen und anderen Büchern eine schale Stimmung aufkommt. Es ist ihm so langweilig wie vorher zumute. Wenn er sich hingegen mit dem Leben Jesu und der Heiligen beschäftigt und sich in deren Vorstellungswelt einfühlt, ist es ganz anders. Er ist froh und heiter. Ihm geht auf, dass man in sich etwas entdecken kann, das einen ausfüllt und gut tut. Dies wird für ihn zur Grundströmung seines Herzens. Es geschieht Ähnliches wie beim Heiligen von Assisi.

Es ist deshalb erlaubt und sinnvoll, der Frage nachzugehen: Was macht mich froh? Was bereichert mich? Was entlastet mich? Was ist echt? Was tut mir im Innersten gut? Damit wir dies erreichen, wird es uns auch viele Anstrengungen kosten. Aber sie sind fruchtbar, weil sie uns für die große Erfahrung öffnen.
Wer das volle Glück wie Jesus in sich trägt, wird die Welt und die Menschen anders wahrnehmen, anders erleben, er wird anders denken und handeln als jemand, der im Innersten verletzt, unglücklich, vereinsamt, verarmt und verbittert ist. Das volle Glück also befähigt zum Guten, sogar zu heroischem Handeln. Wer den Zug des Herzens entdeckt, lässt sich auf ein Abenteuer mit großen Überraschungen ein.