14. Sonntag im Jahreskreis

ERSTE Lesung

Ez 1, 28b - 2, 5

 

ZWEITE Lesung

2 Kor 12, 7-10

 

Evangelium

Mk 6, 1b-6

 

Der Fremde im eigenen Dorf

Wenn man  nach einigen Jahren in seine Heimat zurückkommt  -stellen wir uns ein Jahrgangstreffen vor - ist es schön, alte  Gesichter wieder zu erkennen,  die einem  freundlich zunicken und einen  herzlich begrüßen. Man setzt sich zusammen,  tauscht Erinnerungen aus, ruft Altes hervor, worüber man heute lachen kann und versetzt einander in die wohltuende Stimmung, dass man wieder daheim ist.

Jesus kehrt auch  in seine Heimat zurück. Es könnte sein, dass er alte Freunde in aller Herzlichkeit begrüßt. . Und doch ist alles anders.

 Da ist schon einmal, dass  ihn junge Männer begleiten."Was ist das für ein Aufzug?" fragen sich die Leute.

 Dann kann man mit ihm nicht mehr so reden wie damals. Für alte Dorfgeschichten   interessiert er sich gar nicht. Er spricht irgendwie eine andere Sprache. Er redet von den heiligen Texten mit einer Sicherheit und Überlegenheit, als ob er die großen Propheten selbst gekannt hätte. Er ist nicht mehr der Ihrige.  Er ist ihnen fremd geworden. Sie konnten nicht nachvollziehen, was sich in ihm, seitdem er von ihnen weggegangen war, vollzogen hatte.Es ist wahr. Jesus hat bei seiner Rückkehr eine Geschichte hinter sich, die ihn von seinen Verwandten und Freunden weit weg gerückt hat.Es ist zu denken an jenes Ereignis, in dem sich  Jesus  von Johannes taufen lässt und in dem  „sich der Himmel öffnete" (Mk 1, 10). Mit dem „Öffnen des Himmels" ist ein Erlebnis gemeint, das ihn total erschüttert und in Beschlag genommen und  den  Rahmen seiner dörflichen Welt aufgebrochen hatte. Wir dürfen an die nächtliche Begebenheit denken, bei welcher der heilige Franziskus von Gott berührt  und von Süße, wie er es nennt, überwältigt wurde. Mit anderen Worten: Es hatte sich auch für ihn der Himmel geöffnet. Es gab für ihn nur eines: er musste diesem Erlebnis nachkommen, es immer wieder wachrufen. Es riss ihn  von seiner bisherigen Umgebung weg, von der Familie, von den Freunden, von der Stadt, in die Einsamkeit.So  ähnlich dürfte es bei Jesus gewesen sein - wohl in einem   noch viel intensiveren Ausmaß.Bei Markus steht: „Und alsbald trieb ihn der Geist in die Wüste hinaus" (Mk 1, 12). Er spürt eine innere Notwendigkeit, das Erlebte zunächst einmal für sich zu verarbeiten. Er muss sich in der Wüste mit dem Teufel auseinandersetzen.    Dies bedeutet, dass sich  bei der Taufe   nicht nur der Himmel, sondern auch die Hölle das heißt die  Dunkelheit der Tiefe  aufgetan hat.                                                                                                               Wer mit  ihr in Kontakt gekommen ist, trägt auch deren Spuren mit sich. Er weiß mehr um die dunklen Flecken des einzelnen, um das, was Menschen bewegt und veranlasst, anders zu sein als die andern. Er wird milde im Urteil, weil er sieht, dass Gutes und Böses ein gemeinsames Wurzelwerk haben.      Das Wichtigste ist allerdings: Jesus hat die Kraft des Himmels, des Heiligen,  der ganz anderen Welt in sich aufgenommen.   Aus dieser Verfassung heraus redet er, sodass sein Wort Gewicht hat und Dinge geschehen, die unbegreiflich sind.Dieser Hintergrund   umgibt Jesus, als er in Nazareth  auftritt. Er kann nicht einfach zurück und wieder derselbe sein.      Die erste Reaktion seiner Landsleute ist zunächst einmal Staunen.                                           Er macht Eindruck auf sie. Aber dann können sie  den ganz gewöhnlichen Zimmermann, als den sie ihn  kennen, mit dem  neuen, ganz  außergewöhnlichen Wundertäter und Prediger nicht zusammenbringen. Die alte Vorstellung von ihm hindert sie, ihn als den anzunehmen, der ihnen so viel zu sagen hätte. Sie können es nicht zulassen, sich von seinem Wort betreffen zu lassen. Sie bewundern sein Auftreten, aber lassen sich nicht davon ergreifen. Dann steigen Missmut und Neid auf. Was will der? Er will gescheiter sein, etwas Besseres als wir. Was sich der einbildet?

Sie verstehen ihn nicht mehr. Daraus folgt  Ablehnung.                                                       Es gehört wohl zum Tragischsten im Leben Jesu,  dass er das, was ihm am wertvollsten ist, nicht denen vermitteln kann, mit denen er aufgewachsen war; seinen Verwandten und Freunden, die ihm doch einiges bedeuten. An einer Stelle heißt es sogar, dass seine Verwandten kamen, um ihn zu holen, „denn sie sagten: „Er ist von Sinnen" (Mk 3, 21).      Noch einmal sei die Reaktion seiner Landsleute herausgestellt: sie staunten über  ihn und dann lehnten sie ihn ab. Zwischen Bewundern und Nachfolgen ist  offenbar ein tiefer Graben oder ein  langer Weg.                                                                              Wir sollten  uns die Frage gefallen lassen, inwieweit wir uns in dieser Problematik wiederfinden. Der heilige Franziskus hat viele Bewunderer, aber ganz wenige Nachfolger. Wir hören gerne Geschichten von ihm, von seiner überraschenden Offenheit, von seiner Liebe zu den Armen und  Aussätzigen, zu den Tieren und zur ganzen  Schöpfung und staunen darüber. Dabei bleibt es dann auch.Um ihn zu verstehen das heißt um nachzuvollziehen, was ihn  zu seinen radikalen Entschlüssen bewegt und befähigt hat, müsste man wie er sich dem eigenen Innern zuwenden, seinem Atem wie  seinen Träumen, der Stimme seiner Seele lauschen und darauf vertrauen, dass sich der Himmel öffnet und  seine  Kraft schenkt.In spirituellen Kreisen ist für viele der Begriff „innerer Weg" zum Programm ihres Lebens geworden. Das  bedeutet, dass sie ihre Ängste, ihre Einsamkeit, ihre Verunsicherung bewältigen, indem sie ihr Leben auf das Wesentliche konzentrieren und vertiefen, und in dieser Einstellung über die Jahre hin wachsen.               Es beginnt nicht damit, dass man sich   neue Lasten aufladen muss.                                                     Jesus hat in Nazareth einigen Kranken die Hände aufgelegt und sie geheilt.                     (Mk 6, 4). Wir kommen dann weiter, wenn wir unsere eigenen  kranken Stellen aufsuchen und darauf mildernd und begütigend die Hand legen.     Man darf annehmen, dass in  dieser Berührung Jesus dabei ist und uns  die Freude  der Nähe Gottes schenkt.

 

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