4.Sonntag im Advent C


1.Lesung Mi 5, 1 - 4a

1 Aber du, Betlehem-Efrata, / so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, / der über Israel herrschen soll. Sein Ursprung liegt in ferner Vorzeit, / in längst vergangenen Tagen.
2 Darum gibt der Herr sie preis, / bis die Gebärende einen Sohn geboren hat. Dann wird der Rest seiner Brüder heimkehren / zu den Söhnen Israels.
3 Er wird auftreten und ihr Hirt sein / in der Kraft des Herrn, / im hohen Namen Jahwes, seines Gottes. Sie werden in Sicherheit leben; / denn nun reicht seine Macht / bis an die Grenzen der Erde.
4 Und er wird der Friede sein. /


2.Lesung Hebr 10, 5 - 10

Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, / doch einen Leib hast du mir geschaffen; /
6 an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen.
7 Da sagte ich: Ja, ich komme - / so steht es über mich in der Schriftrolle -, / um deinen Willen, Gott, zu tun.
8 Zunächst sagt er: Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden;
9 dann aber hat er gesagt: Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun. So hebt Christus das Erste auf, um das Zweite in Kraft zu setzen.
10 Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für alle Mal geheiligt.


Evangelium Lk 1,39 - 45

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.


Erfüllte Sehnsucht

Lassen wir den letzten Satz noch einmal nachklingen: „Selig ist die, die geglaubt hat.“ Martin Buber übersetzt „selig“, mit „O Glück!“ Dahinter steht ein Erleben, das einen überwältigt, wo Tränen fließen nicht aus Traurigkeit, sondern einfach, weil es so wunderbar ist.
Eine Altenpflegerin berichtet von Begegnungen mit demenzkranken Menschen, die unglaublich scheinen und erschütternd schön sind. Es war in einem Seniorenheim. Sie geht auf einen verwirrten Mann zu, fasst ihn an den Händen und schaut ihm fest in die Augen.  Da kommen ihm die Tränen, er schluchzt und stammelt nur: „Ja gibt es das! Dieses Leuchten!“ Er sieht etwas Schönes und Überwältigendes, das er noch nie wahrgenommen und spürt ein Glück, das er noch nie gekannt hatte. Es hat sich für diesen unglücklichen Menschen plötzlich eine neue Welt aufgetan. Er, der nicht mehr weiß, wer er und wo er ist, der Unsinniges vor sich hinsagt und lärmt, reagiert in dieser Situation völlig angemessen, erfasst von einer Kraft, die ganz tief in ihm schon immer da war und sein Ureigenstes ausmacht. Im Laufe des Gesprächs kommen beide zu der Überzeugung, dass es Gott ist, der dieses Wunderbare bewirkt. Die anderen Personen aus dem Heim, die apathisch dabei standen, werden hell wach. Das Ganze endet damit, dass alle „Großer Gott, wir loben dich singen.“ Für den Mann ist es, als ob ihm ein Engel erschienen sei. Die Seligpreisung müsste nun lauten: „selig, der geglaubt hat“. Eine geheime Sehnsucht hat sich für ihn erfüllt.

Die Episode weist eine Spur auf, die jeder von uns verfolgen kann. Wir dürfen auf die Sternstunden unseres Lebens schauen. Wer sie noch nicht erlebt hat, darf sich darauf einstellen. Es gibt Ereignisse, bei denen es einem so ist, als ob man einem Engel begegnet sei. So leicht, so froh, so zuversichtlich ist einem plötzlich zumute. Es ist, wie wenn ein kleines Kind vor Freude hüpft mit leuchtenden Augen, mit lachendem Mund. So hat Johannes, obwohl noch im Mutterleib, reagiert, als er die Nähe Jesu und seiner Mutter spürte.
Diese Stimmung dürfen wir mit dem Erscheinen und dem Willen Gottes in Beziehung setzen. Wir hörten in der zweiten Lesung: „Ich komme, um deinen Willen zu tun“ (Hebr 10, 9). Beim Gedanken an den Willen Gottes stellen sich nicht immer Leichtigkeit und Jubel ein. Eher das Gegenteil. Manchen sind noch Sterbebildchen in Erinnerung, auf denen Jesus am Ölberg mit leidendem Gesicht, blutschwitzend dargestellt ist. Darunter steht: Dein Wille geschehe! Es wurde der Eindruck vermittelt, der Wille Gottes habe von vorneherein mit Leiden zu tun.

Als Maria zu Elisabeth ging, war für sie Jesus, den sie in ihrem Leib trug, keine Last. Wer ihn als Jünger verstanden und aufgenommen hat, trägt ihn auch in seinem Herzen. Dann sind viele Lasten abgefallen. Das Leben ist im guten Sinn leichter geworden. Wir müssen nicht absichtlich das Schwerere wählen, sondern das, was uns authentisch macht, was die Wahrheit unseres Lebens ist. Das kann schwer werden, wirkt aber befreiend. So haben es die erfahren, welche den Willen Gottes als innere Kraft und Ausrichtung entdeckten, die „geglaubt haben“ (Lk 1, 46). Als der heilige Franziskus den Auftrag Jesu  hörte, nichts auf den Weg mitzunehmen, da überkam ihn eine übergroße Freude und er sagte: „Das ist es, was ich suche.“ Dass er sich der vollen Armut ausliefert, ist von außen gesehen eine unerträgliche Last, aber es ist sein ganz Eigenes, wonach sein Inneres verlangt. Deshalb ist für ihn die Last leicht. „Die Süße zog ihn weiter und weiter“ heißt es in der Lebensbeschreibung. Er spürt einen Drang, den er als erfüllend und frohmachend, als „selig“ empfindet, dem nachzukommen sein zentrales Anliegen ist. In diesem Sinn übte Christus seine Herrschaft in ihm aus. Seine Begleiter berichten, dass er stets Jesus im Herzen trug,  im Mund und in den Ohren und im ganzen Leib. Sein Inneres war im Gleichklang mit Christus. Es war der Grund seiner Ausstrahlung und der Fähigkeit, in jedem Menschen, in jedem lebenden Wesen und in jedem Geschöpf die Schönheit und Güte Gottes zu empfinden. Das war der Anlass zum immerwährenden Jubel, darin sich Gott selbst ausdrückt. Es ist im tiefsten und eigentlichen Sinne „Menschwerdung Gottes“, ein Wort, das wir nicht auf die Krippe in Betlehem beschränken dürfen. Die Geburt Gottes im Menschen meint im letzten, dass wir für die Freude geboren sind, nicht für Trübsinn und Untergang.