Jubiläum 2015: 50 - Jahre Priester

5.Juli, Ebertshausen

Wir - die Älteren blicken zurück auf die Primiz vor 50 Jahren und auf das, was in dieser Zeit geschehen ist. In Erinnerung ist es ein Fest des Dorfes Ebertshausen, ein Gottesdienst gestaltet von jungen Kapuzinern, der vierstimmige Gesang, der Posaunenchor, die Kapuzinerpredigt, heute noch nachzuerleben in den Aufnahmen von damals. Es war ein Ereignis, das die Teilnehmenden noch lange bewegt hat. So etwas hat es in Ebertshausen noch nie gegeben. Heute ist der Tag der Erinnerung und der Rückkehr.

Wir hörten gerade: "Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und berichteten voll Freude: Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen“.
Vorher hatte ihnen Jesus den Auftrag gegeben: Heilt die Kranken, treibt die Dämonen aus und verkündet: das Reich Gottes ist nahe.

In dem, was vor 50 Jahren gefeiert wurde, war dieser Auftrag verborgen. Als das Fest vorbei war, trat er in aller Nüchternheit hervor.
Es war der Beginn eines langen, mühsamen Weges.

Wenn man die einzelnen Stellen betrachtet: Was musste ich tun? Einmal Kranke heilen. Das musste ich nicht. Das tun die Ärzte.
Dann: die bösen Geister austreiben…Hier wird es schon heikler.
Als wichtigste Aufgabe bleibt bei allem: Den Menschen zu sagen, dass Gott ihnen nahe ist.

Als erstes steht die Frage an: Was sind denn die bösen Geister? Wer glaubt heute noch an sie?

Es war kurz nachdem ich als Priester, Seelsorger und Religionslehrer meine Arbeit begonnen hatte, da kam der große Umbruch. Die jungen Leute waren wie von bösen Geistern besessen. Was bisher als heilig galt, war nichts mehr wert. Über die Autorität Kirche, die bislang unantastbar war, wurde gespottet. Damit verloren auch die  Vollmachten, die man durch die Priesterweihe von der Kirche erhalten hat, ihre Bedeutung. Oder besser gesagt: Sie greifen nicht mehr beim großen Teil der Bevölkerung. Am augenscheinlichsten ist es bei der Lossprechung von den Sünden. Sie ist nicht mehr begehrt. In den Jahren, in denen ich in Augsburg war, ist die Beichte rapide zurückgegangen. Früher standen Schlangen am Beichtstuhl. In den letzten Jahren in Augsburg musste man auf ein paar Beichtwillige warten. Man könnte sagen: Die Leute haben keine Sünden mehr! Dann könnte Frage kommen: Wer bin ich noch, wenn das, was den Priester ausmacht, nicht mehr gefragt ist? Es entstand der Anschein, dass man ohne Religion und Kirche genauso gut leben kann wie mit ihr, sogar besser. Den Priester braucht man noch als Zierfigur bei Familienfeiern. Im Hinblick auf alles, was sich in der Öffentlichkeit abspielt, hat die Kirche immer weniger Einfluss. Die Strömung der Zeit geht an der Kirche vorbei. Dies dürfte der Grund sein, warum der Beruf des Priesters so wenig anziehend ist, dass sich nur noch wenige dafür entscheiden. Wenn gesagt wurde: Die Leute haben keine Sünden mehr, dann ist das nur die Hälfte der Wahrheit. Sie haben keine Sünden, aber Probleme! Die sind nicht gering. Hinter der Fassade des Wohlstands steht sehr viel Unheil. Menschen, die nicht mehr weiterwissen, verzweifelte, verlassene, einsame. Die Freiheit, die in der großen Gesellschaft immer mehr gefordert wird, hat auf der Rückseite die Einsamkeit. Vertrauen, Geborgenheit, endgültige Bindungen, die Überzeugung, dass man sich verlassen kann, wird immer schwieriger. Es bringt nichts hier anzuklagen. Wichtiger ist es, den Menschen in dem zu begegnen, was sie bedrückt, sie in ihrer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit aufzufangen. So hat es Jesus getan und so darf man seinen Auftrag verstehen. Im Grunde sind mit den bösen Geistern die bedrückenden Stimmungen gemeint, die einen Menschen nach unten ziehen und in die falsche Richtung lenken. Der Theologe Johann Baptist Metz sagte: „Jesus hat sich mehr für das Leid der Menschen interessiert als für deren Sünden.“

So war es mir wichtig, dem nachzugehen, was in der Seele des Menschen vorgeht, wie die Seele geheilt werden kann, oder wie ein Mensch wieder auf den rechten Weg kommt. Seele heißt griechisch Psyche. Deshalb nahm ich noch mit 33 Jahren das Studium der Psychologie auf mich und begann dann eine neue Form der Verkündigung und Seelsorge mit den Schwerpunkten Vorträge zu Religion und Psychologie, verstehendes, einfühlendes Gespräch und Meditation.

Der erste Vorteil dieser Seelsorge ist: Es kann jeder kommen, ganz gleich ob er katholisch oder evangelisch, verheiratet oder wiederverheiratet, gläubig oder ungläubig. Einzig allein  das Schicksal eines Menschen, sein Unglück, seine Ausweglosigkeit, seine Sehnsucht nach Glück und nach einem geordneten Leben stehen im Mittelpunkt.
Der zweite Vorteil ist: Es geschieht echte Veränderung, Versöhnung mit dem eigenen Leben, Versöhnung miteinander. Früher sprach man von Bekehrung. 
Viele entdeckten wieder das Religiöse als etwas Kostbares, das dem Leben Glanz und Sinn verleiht, das einen froh macht. Im Innersten ist jeder Mensch auf Gott bezogen, trägt jeder das Bild Gottes in seiner Seele. Das Religiöse ist sogar die stärkste Kraft, wenn es entdeckt wird. 
Ich denke an Schwester Karoline Mayer aus einem Dorf in der Nähe von Eichstätt. Sie hält heute Abend einen Vortrag in Ingolstadt zum Thema: „Jeder trägt einen Traum im Herzen - Von der Kraft, die alles verändert“. Sie hat in Chile ein großes Bildungswerk für junge Menschen aufgebaut.

Man darf sich nicht täuschen lassen. Unter der scheinbaren glaubenslosen Oberfläche ist eine große Sehnsucht nach religiöser Erfahrung verborgen, nach Menschen, die von Gott berührt sind, noch mehr ein Verlangen, selbst von Gott berührt zu werden.
Es ist im Tiefsten das, was mit Priestersein gemeint ist. Wer immer es versteht dieses Bild zu leben, wird vom Rand in die Mitte gerückt. In den ersten Jahrhunderten hat sich das Christentum gegen das Heidentum behauptet, warum soll es heute nicht so sein?  Es ist möglich, die bösen Geister unserer Zeit, den sogenannten Zeitgeist zu überwinden, weil die Kraft Christi stärker ist.