9.Sonntag im Jahreskreis B


1.Lesung Dtn 5, 12 - 15

Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr dort herausgeführt

Lesung aus dem Buch Deuteronomium
So spricht der Herr:
12 Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat.
13 Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun.
14 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du.
15 Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten.



2.Lesung 2 Kor 4, 6 - 11

Das Leben Jesu wird an unserem Leib sichtbar

Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther
Brüder!
6 Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht erleuchten!, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.
7 Diesen Schatz tragen wir Apostel in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt.
8 Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht;
9 wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet.
10 Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird.
11 Denn immer werden wir, obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird.


Evangelium Mk 2, 23 - 3, 6

Der Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
23 An einem Sabbat ging Jesus durch die Kornfelder, und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab.
24 Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat verboten.
25 Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten
26 wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab?
27 Und Jesus fügte hinzu: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.
28 Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.
1 Als er ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war.
2 Und sie gaben acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.
3 Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte!
4 Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen.
5 Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus, und seine Hand war wieder gesund.
6 Da gingen die Pharisäer hinaus uns fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen.
 

Die gestoerte Ordnung Gottes

Nichts ist leichter, als auf der Seite Jesu zu stehen und die blinde Menschenverachtung der Pharisäer zu verurteilen. Es kostet wenig Mühe und kaum Nachdenken, der  Argumentation Jesu vom Recht der Hungernden auf Essen und der Behinderten auf Heilung zuzustimmen. Für uns ist Ähren - Abpflücken am Sabbath kein Anlass zum Streit und dass man auch am Sonntag einem Menschen in Not hilft, ist eine Selbstverständlichkeit.

Das Leben sprengt die Enge
Und doch: haben wir damit Jesus schon verstanden, in dem, was in ihm geschah, als er den engen Rahmen der religiösen Herkunft verließ? Der Mut zu diesem Schritt stammt - so dürfen wir annehmen - aus jenem Erlebnis, von dem es heißt, er sah den Himmel offen und sich in die unmittelbare Nähe Gottes gerückt (Vgl Mk 1,70). Da erwachte in ihm eine Kraft und Überlegenheit, eine innere Größe, die ihn über die engen Grenzen der Tradition hinaushob. Er war der Welt der Gesetzeslehrer, der Frommen und Eifrigen entwachsen. Sie war ihm zu klein geworden. Die Welt, in der Jesus lebt, unterscheidet sich von der alten durch die Dichte und Unmittelbarkeit, wie er zu Gott betet; wie Gott in seiner Person anwesend ist, in dem, wie er redet, was er tut. Einer seiner Jünger wird über ihn später schreiben: Das Leben selbst war in ihm zum Anfassen nahe (Vgl.1 Joh 1,1). Überall wohin Jesus kommt, blüht das Leben auf; die Menschen strömen von weither in berechtigter Hoffnung; die Kranken, die Lahmen, die Siechen, die auf der Schattenseite des Lebens Stehenden atmen auf. Ein Wort ist überliefert, das lautet: „Es ging eine Kraft von ihm aus und heilte alle“ (Lk 6,17). Man darf sagen: Das Leben verströmte sich in ihm. Und dieser Strom ist nicht mehr in den schmalen Kanälen der Gesetzestradition zu fassen, ähnlich dem jungen Wein, der gärt und arbeitet und einen alten, spröden Weinschlauch zerreißen würde.

Die Ordnung Gottes
Auf diesem Boden konnte ein Wort gesagt werden, das als Frevel empfunden wurde; es lautet: „Der Sabbat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Sabbats willen" (Mk 2,27). Übersetzt könnte es heißen: „Das Glück eines Menschen steht über der Ordnung Gottes!“ Wobei man dazu sagen muss: Was Menschen in ihrer Beschränktheit bisher für die Ordnung Gottes gehalten haben. Diesen Satz Jesu, in unsere Sprache übertragen, müssen wir erst verdauen. Zu viele Vorbehalte, zu viele Wenn und Aber tun sich auf, um ihn voll zu bejahen. Doch wir haben erst dann etwas von Jesus verstanden, wenn wir ihn als die neue Ordnung begreifen: leben sollen die Menschen und nicht hungern, nicht verkrüppelt, sondern aufrecht und ganz: Das ist die Ordnung Gottes.

Wer so unmittelbar an das Leben und an den Ursprung angeschlossen ist, sieht die Dinge, die unter Menschen passieren, - wie sie miteinander umgehen, wie sie sich durchs Leben mühen, - mit anderen Augen als einer, der davon abgeschnürt ist. Solche, die den Kontakt zum Leben verloren bzw. ihn nie gefunden haben, werden überall, wohin sie schauen, Gefahren und Bedrohung erblicken. Deshalb glauben sie, sie müssten mit noch strengeren Gesetzen und genaueren Vorschriften die Menschen vor dem Verderben schützen. Auch in unserer Zeit gibt es zwei völlig entgegengesetzte Einstellungen, das Geschehen in der Kirche und in der großen Welt zu betrachten. Eine, die in der heutigen Zeit vorwiegend nur Verfall sieht. Man ist überzeugt, die Menschen werden immer schlechter, weil sie nicht mehr in die Kirche gehen, weil sie sich wegen Kleinigkeiten scheiden lassen, weil sie nur dem Genuss und dem Konsum nachgehen. Deshalb dürfe man in der Moral, was die christliche Auffassung anbelangt, nicht noch mehr nachgeben. Sonst schwimme ja alles davon.

Die andere Sicht - es sind nicht wenige - nimmt zunächst die Not wahr, die Menschen mit dem Leben haben: es ist nicht immer frevlerischer Leichtsinn oder Selbstverwirklichung auf Kosten anderer, wenn eine Ehe zerbricht, sondern Unsicherheit, Einsamkeit, Mangel an innerer Kraft, die Unfähigkeit, mit Gefühlen umzugehen; man sieht die Überforderung, der die meisten ausgesetzt sind und damit nicht zurechtkommen. Vor allem wird erkannt, wie sehr die heutigen Menschen mehr als je zuvor auf der Suche sind nach der Wahrheit ihres Lebens und nach der Wahrheit des Christentums; weil sie hungern, begehen sie zumindest in den Augen der Frommen manchen Frevel, wie einst David unerlaubt die Schaubrote aß. Vielen wurde von Klein auf der Mut genommen zuzupacken, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen, Kontakte zu schließen oder die Grenze um sich zu ziehen.

Wer so denkt, ist lebensbejahend; die es tun, freuen sich, dass auch heute viel Gutes geschieht, vor allem, dass ihnen das Leben geschenkt ist und dass sie trotz aller Schwierigkeiten den Raum finden für schöpferische Ideen, wo sie Neues und Gutes verwirklichen.

Man darf doch sagen: Menschen wie diese haben etwas von der Gesinnung Jesu erkannt; während jene, die nur Bosheit in den Herzen vermuten und eine strengere Ordnung im Namen Gottes fordern, eher bei den Gegnern Jesu ihren Platz haben dürften.
Ob wir nicht unseren Eifer im Religiösen, sofern wir ihn haben, überprüfen sollten ob er wirklich in der Nähe Jesu angesiedelt ist oder ob er uns in die falsche Richtung treibt? Alles hängt davon ab, ob wir den Satz verstehen: „Der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat“ (Mk 2,27)