Neujahr - Oktavtag von Weihnachten
Hochfest der Gottesmutter Maria

 

1.Lesung Num 6, 22 - 27

So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, und ich werde sie segnen

Lesung aus dem Buch Numeri
22 Der Herr sprach zu Mose:
23 Sag zu Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen:
24 Der Herr segne dich und behüte dich.
25 Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.
26 Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.
27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, und ich werde sie segnen.

 

2.Lesung Gal 4, 4 - 7

Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau, damit wir die Sohnschaft erlangen

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Galater
4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt,
5 damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.
6 Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.
7 Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott.

 

Evangelium Lk 2, 16 - 21

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
17 Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
18 Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
19 Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
21 Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.

Die Zeit, die für uns ist

Die ersten Stunden dieses Tages sind irgendwie anders als die vielen im Laufe eines Jahres. Wir sind wacher und hellhöriger für das, was wir Zeit nennen. Von der Schule her wissen wir, dass das, was Jahr" heißt, darin besteht, dass die Erde um die Sonne kreist und dass sie in dieser Nacht an einem willkürlich festgelegten Punkt angekommen ist und ihn schon überschritten hat. Aus dieser Sicht ist Zeit nichts als ein Ablauf von Minuten, Stunden, Tagen, Jahren. Würden wir uns nur auf diese Auffassung von Zeit beschränken, gäbe es keinen Anlass zum Feiern, keinen Grund, besondere Tage im Jahr hervorzuheben.

Nach alter christlicher wie außerchristlicher Überlieferung entspricht das Oben dem Unten, das Außen dem Innen. Das heißt, wir fühlen uns dann daheim im großen Kosmos, wenn zu jedem Punkt des Jahres auch unsere Seele mit leben darf. Wie außen - so innen" besagt nun: Wie wir, die Bewohner dieser Erde, mit all ihren verflochtenen Schicksalen jedes Jahr den Kreis um die Sonne vollziehen, so drehen wir uns auch um eine unsichtbare Mitte. Und diese geheimnisvolle Mitte ist für uns Christus selbst. Schon in den Anfängen der Kirche wurde die Sonne als Symbol für Christus gesehen. Anlass dazu waren die Erfahrungen, dass Christus der Träger und Spender des Lichtes ist. Man denke an jene Stellen in der Heiligen Schrift, die Lichterscheinungen zum Inhalt haben. Matthäus berichtet, dass das Gesicht Jesu auf dem Berg wie die Sonne leuchtete (Mt 17,1 - 9). Paulus sah - so berichtet es die Apostelgeschichte - mitten am Tag ein Licht heller als die Sonne (Apostelgeschichte 26,13); Johannes hatte eine Vision von „einem wie einem Menschensohn", dessen Antlitz wie die Sonne in ihrer stärksten Kraft strahlte" (Offenbarung 1,16). Seit den Ursprüngen des Christentums wird Christus Sonne der Gerechtigkeit genannt.
Christus ist für uns wie die Sonne für die Erde der feste Punkt, der jenseits aller Vergänglichkeit steht, der uns den Halt gibt, so dass wir nicht ins Grenzenlose abstürzen.
Wie wichtig diese Sicht unseres Daseins in der Welt ist, hat der Philosoph Friedrich Nietzsche geahnt, als er den Verfall des Glaubens an Gott mit dem Abstürzen der Erde aus der Sonnenbahn verglich. Was taten wir, als wir die Erde von der Sonne losketteten? Stürzen wir nicht fortwährend endlos, ruhelos?" So lässt er den tollen Menschen sprechen.

Der Kreis des Jahres enthält in seinen verschiedenen Stationen, die wir Jahreszeiten und kirchliche Feste nennen, die Themen, die unser Leben im Innersten berühren. Wir umkreisen auch sie jedes Jahr, bis sie uns so nach und nach aufgehen. Es sind die Fragen nach dem Woher und Wohin unseres Daseins, nach dem Sinn des Lebens und des Sterbens.
Der Winter enthält bereits den Keim des Frühlings, an Ostern feiern wir mit dem Erwachen der Schöpfung die Hoffnung auf Auferstehung jenseits dieser Welt.
Der Sommer ist ein Bild für die Hitze und Leidenschaft des Lebens, der Herbst führt uns bereits wieder nach innen. Wir gehen an die Gräber und werden uns unserer Vergänglichkeit bewusst. An Weihnachten soll uns Gewissheit darüber werden, dass wir in aller Dunkelheit Söhne und Töchter des Lichtes sind, aus Gott geboren. Die kirchlichen Feste dürfen wir die Seele des Jahres nennen; ohne sie wird die Zeit kalt und wir verlieren die Heimat der Seele. 

Wenn wir am Geheimnis des Lebens angeschlossen sind, dann nehmen wir auch an seinem ständigen Wachstum teil. Dann ist die Zeit nicht etwas, das ständig schwindet und zerrinnt, sondern ein Gut, das fortwährend zunimmt. Es wäre zum Verzweifeln, wenn wir nur auf die Jahre schauten, die uns noch verbleiben und die immer weniger werden. Vielmehr kehrt in uns Gewissheit und Zufriedenheit ein, wenn wir sehen, was alles im Wachsen und schon geworden ist in unserer eigenen Familie, wie die Kinder größer, verständiger und vernünftiger werden. Vor allem dürfen wir die Erkenntnis zulassen, dass wir selbst einem inneren Wachstum unterliegen, in dem uns jeder Tag und jedes Jahr  der  inneren Wahrheit und Heimat näher bringen. Lassen wir ihn zu, ist Zeit nicht gegen uns, sondern für uns.